Das Programm nach der Inschrift „Es ist noch nicht alles verloren“ am Fundbüro des Wuppertaler Hauptbahnhofs benannt, geht das berüchtigte Brüsseler Klarafestival im Zeichen der Coronasaison in eine komplett digitale Ausgabe. Es greift damit sowohl die Schmerzen über die zu beklagenden Verluste durch das Virus, das Bemühen der Veranstalter, wirtschaftlich zu überleben und mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben, als auch den Trost auf, den Musik zu geben vermag, unter anderem denjenigen der Vertonungen aus den leidgeprüften Zeiten der Spätrenaissance und des Frühbarocks, die bei solch einer kulturellen Auseinandersetzung natürlich nicht fehlen dürfen.
Dass sich das Motto des Musikfests bei der geplanten Übertragung des Konzerts des Collegium Vocale Gent unter Gründungsleiter Philippe Herreweghe mit Auszügen aus dem Fünften Madrigalbuch Carlo Gesualdos dabei ganz praktisch bewähren sollte, war dem Umstand geschuldet, dass ein positiver Covid-19-Fall in den Reihen der Ausführenden Plan C aktivierte. Er umfasste, eine Aufnahme für eine belgische Streamingplattform aus dem Februar zu senden, in denen die CVG-Solisten Dorothee Mields, Barbora Kabatkova, Robert Getchell, Tore Tom Denys und Wolf-Matthias Friedrich zusammen mit der Generalbassbegleitung Bart Naessens' (Orgel) und Herreweghes Gattin Ageet Zweistra (Barockcello) siebzehn Motetten der sechsundzwanzig Einzelstücke umfassenden Sammlung Israelis Brünnlein Johann Hermann Scheins erklingen ließen.
Im Dunkel der eindrucksvollen Karmeliterkirche Gent tat der lichte fünfstimmige Gesang die emotionalen Wunden der existenziellen Verzweiflung und Vergänglichkeit auf, um sie mit der Kunst und Schönheit der geistlichen Musik aus dem Dreißigjährigen Krieg, ja des gemeinsamen Bewusstseins über die Dankbarkeit des Lebens in wirren Krisenmomenten, zu heilen. Hintereinanderweg wurden die ersten sieben Motetten präsentiert, in denen demütig, geheimnisreich, leicht beschwingt, traurig, barmherzig anrührend, eindringlich und aufwühlend den bittenden, preisenden oder beschwichtigenden Texten rhetorische Nuancierungen und Ausdrucksformen zuteil wurden, die im Sinne Herreweghes minimalinvasiver Idealistik ein eigenes Brünnlein der Klarheit und Eingängigkeit darstellten. Gesondert erwähnen möchte ich mit Die mit Tränen säen, Dennoch bleibe ich stets an dir und Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen die durchaus bekanntesten Vertonungen dieser ersten Nummern im Band, in denen starke Kontraste aus weinender Breite zu vollmundigeren, entzückenden Hoffnungsversprechen, dynamisch und theatralisch ausgekleidete Selbstvergewisserungen und beredte Einsatz- und Echoeffekte die Gedanken greifbar machten.