Vollkommen unverständlich, warum diese Oper so selten in den Spielplänen auftaucht. Riccardo Zandonais Francesca da Rimini gewinnt in der Regie von Christof Loy Thrillerqualität, weil er das Werk als psychologisches Kammerspiel inszeniert hat. An der Deutschen Oper Berlin war es nun als Publikumspremiere live zu erleben, nachdem es während Coronazeiten lediglich einmal als Videostream zu sehen war. Weil die Proben seinerzeit nur unter Bedingungen höchster Vorsicht stattfinden konnten, wurde der Chor ins Off verbannt, was aber der Inszenierung zusätzlich zu intensiver Dichte und Konzentration verhilft.
Die Oper ist ein Drama der heftigsten Art über Liebe und Leidenschaft. Francesca soll aus politischen Gründen eine arrangierte Ehe mit Einem aus der Familie der Malatesta eingehen, mit Giovanni, dem Ältesten von drei Brüdern, den sie den Lahmbeinigen nennen. Daneben gibt es noch Paolo den Schönen und den jungen Malatestino den Einäugigen. Das Unglück beginnt mit einem Komplott: Paolo soll zum Schein als Bräutigam auftreten, damit die selbstbewusste Francesca am Ende den entstellten Giovanni nicht mehr ablehnen kann.
Im ersten Akt erleben wir diesen von Loy grandios inszenierten Moment, in dem Musik und Handlung sich suggestiv verbinden. Francesca erwartet angespannt ihren Zukünftigen, im Orchester brodelt es schon, die Dienerinnen rennen wie aufgescheucht über die Bühne und dann betritt aus dem Hintergrund wie ein Superstar der blendend schöne Paolo die Szene. Lange mustern sich beide stumm, während das Solo-Cello dazu betörend ein Liebeslied singt. Francesca reicht Paolo eine rote Rose, drückt ihm einen innigen Kuss auf die Lippen und von nun an ist sie hingerissen und verzaubert, vergisst alles um sich herum, unterzeichnet wie abwesend den Ehevertrag und bemerkt nicht, dass ein Anderer anstelle ihres glänzenden Idols auf der Gegenseite unterschreibt, nämlich Giovanni, der Lahmbeinige.
Eine bitterböse Tragödie nimmt ihren Lauf. Gewalt und Krieg allerorten. Äußerlich, in welchen die Malatestas verwickelt sind (wir sind im Zeitalter der norditalienischen Bürgerkriege des 13. Jahrhunderts), aber auch innerlich: eine bis aufs Blut ausgetragene Feindschaft zwischen den drei Brüdern, die jeder auf seine Weise Francesca verfallen sind. Die Inszenierung arbeitet die Gewaltverhältnisse deutlich heraus, obwohl sie die Handlung im modernen Setting präsentiert.
Selbst Francesca nutzt den Krieg für ihren Zweck, sich an Paolo für seinen Verrat zu rächen und fordert ihn auf, im Krieg seine Strafe zu finden. Doch als er siegreich heimkehrt, sieht sie das als Wink des Schicksals an und ihre ursprüngliche Anziehung siegt über den Hass. Im dritten Akt entdecken beide ihre Seelenverwandtschaft und wollen ihre Leidenschaft nicht mehr zügeln.
Loy inszeniert diese Liebesszene dezent und aufregend zugleich. Wie überhaupt die Figuren psychologisch intensiv ausgeleuchtet werden. Sara Jakubiak ist eine äußerlich scheinbar gefasste, aber innerlich bebend zerrissene Francesca, expressiv im Spiel, besonders in der Mittellage vokal differenziert und ausdrucksstark, gefährliche Höhen steuert sie meist im Piano an und bleibt so kraftvoll bis zum letzten Atemzug.