Es gibt nur wenige großartigere Gebäude in Österreich als die riesige Barockanlage des Stifts Sankt Florian. Man kann nur erahnen, welchen Eindruck es auf den 12-jährigen Anton Bruckner machte, als er am 7. Juni 1837, dem Todestag seines Vaters, von seiner verzweifelten Mutter dorthin gebracht wurde, um sich als Chorsänger einzuschreiben. Heute ist es wahrscheinlich die erste Station auf jeder Bruckner-Pilgerreise. Für den Komponisten blieb sie zeitlebens ein Zufluchtsort und er wählte sie als letzte Ruhestätte: Er ist in der Krypta unter der gleichnamigen Orgel in der Stiftskirche begraben. „Vielleicht muss man die Kirche von Sankt Florian gesehen haben“, sagte Herbert von Karajan einst, „um zu verstehen, warum die Musik so ist, wie sie ist, mit so viel Innehalten und einer solchen Größe.“
Bruckner wurde ganz in der Nähe in der kleinen oberösterreichischen Stadt Ansfelden geboren. Eine kurze Zugfahrt von Linz entfernt, feiert Ansfelden seinen berühmten Sohn mit einem Bruckner-Museum und einem Stadtwappen mit Orgelpfeifen. Im Jahr 1824 war Ansfelden ein ländliches Dorf mit ein paar Tausend Einwohnern, tief im gesetzestreuen und gottesfürchtigen vorrevolutionären Österreich. „Tonerl“, wie er genannt wurde, war der älteste Sohn des örtlichen Schulmeisters und Organisten, und lange Zeit ging er davon aus, schlicht in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.
Er war über 30, als er sich endlich in der Lage fühlte, Musik als langfristige Karriere in Betracht zu ziehen, und hatte einen lebenslangen Zwang, sich um offizielle Qualifikationen und Genehmigungen zu bemühen, um Errungenschaften zu untermauern, die eigentlich Beweis genug für seine Fähigkeiten hätten sein sollen - einschließlich Stellen als Organist in Sankt Florian und später am Dom in Linz. In seinen Dreißigern schuftete er fünf Jahre lang in einem Fernkurs für strenge Harmonielehre und Kontrapunkt bei Simon Sechter, Professor an der Universität Wien und Komponist von über 5.000 Fugen.
Sechter verhängte ein striktes Verbot des freien Komponierens, und als er seine Studien bei ihm beendete, trat Bruckner blinzelnd ins Sonnenlicht und fühlte sich, wie er zugab, „wie ein Wachhund, der seine Kette zerrissen hat“. Er setzte seine Studien bei dem Linzer Cellisten Otto Kitzler fort, der ihn in der Formenlehre und Orchestrierung unterrichtete. Vor allem aber machte er ihn mit neuerer Musik bekannt – unter anderem mit Wagner. Bruckner war nun ein reifer Künstler, und als ein Artikel in einer Linzer Zeitung nach einer Aufführung der d-Moll-Messe andeutete, dass seine Zukunft in der Symphonie liegen würde, schien sein Weg vorgezeichnet: „Ich fühlte, dass dies ein Fingerzeig in die richtige Richtung war“, soll er gesagt haben.
Auch in Wien war der Name Bruckner zu diesem Zeitpunkt nicht unbekannt. Er hatte versucht, seine Ausbildung bei Sechter durch ein Diplom der Universität Wien zu festigen, das eine Orgelprüfung vor einem angesehenen Gremium von Musikern in der schönen barocken Piaristenkirche in der Wiener Josefstadt beinhaltete (eine Gedenktafel an dem Gebäude erinnert an dieses Ereignis). Nachdem er Bruckner improvisieren gehört hatte, verkündete einer der Juroren, Johann Herbeck, bekanntermaßen, dass Bruckner derjenige hätte sein sollen, der sie prüft.
Und mit Herbeck – einem Lehrer an der Wiener Universität und Dirigenten der Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde – fand Bruckner einen wichtigen Verbündeten, der den Grundstein dafür legte, dass er schließlich 1868 die Nachfolge Sechters am Wiener Konservatorium antreten konnte. Bruckner zog nur widerwillig um, und seine Zurückhaltung mag durchaus berechtigt gewesen sein: Das Kind des oberösterreichischen Vormärz hat nie wirklich gelernt, sich in der Hauptstadt einzuleben. Die Berichte variieren, aber während er im Großen und Ganzen von seinen Studenten respektiert wurde, wurde er auch wegen seines kindlichen Mangels an Kultiviertheit, seines starken Akzents und wegen seiner Manieren und seines Kleidungsstils, die hoffnungslos von der Mode in der Hauptstadt abwichen, verspottet.
Bruckner war zweifelsohne ein Sonderling. Als lebenslanger Junggeselle verliebte er sich regelmäßig in junge Frauen und Mädchen, die in seine Nähe kamen, machte ihnen einen Antrag – und vergaß sie schnell wieder. Er war besessen von Zahlen und hegte ein ungesundes Interesse an Leichnamen. Vielleicht einzigartig unter den Komponisten seiner Zeit, hatte er anscheinend keinerlei Interesse an Literatur: Die einzigen Bücher, die nach seinem Tod in seiner Bibliothek verblieben, die sich nicht mit Musik oder Religion befassten, waren über den Mexikanischen Krieg (er war von der tragischen Figur des Kaisers Maximilian besessen) und eine Expedition zum Nordpol.
Seine Erziehung hatte ihm einen unerschütterlichen katholischen Glauben, eine tiefe Treue zum Kaiser und eine allgemeine Neigung zur Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit eingeimpft. Aber er war kein sozialer Spießer: Es gibt viele Berichte über ihn, in denen er als geselliger Mensch, als begeisterter Esser und Trinker beschrieben wird. Bis in seine Fünfziger war er ein passabler Tänzer.
Bruckner hätte von seiner Persönlichkeit und seinen Ansichten her kaum unterschiedlicher sein können als sein extravagantes Idol Wagner. Doch seine Zugehörigkeit zum Bayreuther Meister führte dazu, dass er automatisch in die hitzigen ästhetischen Debatten der Zeit – zwischen den Anhängern von Brahms und den Anhängern von Wagner – hineingezogen wurde und sich den mächtigsten Kritiker Wiens, Eduard Hanslick, zum Erzfeind machte. Bruckner erwies sich als allzu leichtes Ziel, seine persönlichen Schwächen wurden auf eine Musik projiziert, die im besten Fall als verworren und undurchschaubar, im schlimmsten Fall als an den Rand des Wahnsinns grenzend galt. Nur wenige konnten jedoch seine Meisterschaft auf der Orgel anzweifeln, und er war vor allem für seine großartigen Improvisationen berühmt.

Aber der Entstehungsprozess von Symphonien war für ihn schwierig, denn der Akt, Musik für die Nachwelt zu Papier zu bringen, ist etwas ganz anderes als das Improvisieren im Augenblick. Und die manchmal lähmenden Auswirkungen von Bruckners Selbstzweifeln – die zu mehreren Nervenzusammenbrüchen führten und ihn anfällig für „Verbesserungsvorschläge“ an seinen Werken machten – sollten nicht unterschätzt werden. Es zeugt von einem tiefen Glauben an seine Berufung, der durch seinen noch tieferen religiösen Glauben gestützt wurde, dass er so unermüdlich sein konnte.
Er vollendete das, was seine offizielle Erste Symphonie wurde, 1866 (und „Nr. 0“ 1869), aber seine nächsten vier (ungeachtet der Überarbeitungen) produzierte er im Wesentlichen zwischen 1871 und 1876, dem Jahr, in dem Wagners Ring in Bayreuth uraufgeführt wurde (Bruckner war natürlich dabei) und Brahms' lang erwartete Symphonie Nr. 1 fertiggestellt wurde. Aber nur wenige in Wien, so schien es, warteten auf Bruckners Symphonien, und die berüchtigte Wiener Erstaufführung der Dritten Symphonie im folgenden Jahr war wahrscheinlich das größte Fiasko in Bruckners Karriere. Wie Hanslick schadenfroh berichtete, blieb nur eine Handvoll Bruckner-Verehrer (darunter der junge Mahler), um dem Werk zu applaudieren; der Großteil des Publikums verließ entweder den Saal oder johlte.
In den folgenden Jahren gab es weitere Enttäuschungen, unterbrochen von nur gelegentlichen Triumphen: die Uraufführung der revidierten Fassung der Symphonie Nr. 4 im Jahr 1881 und vor allem die Leipziger Premiere der Siebten drei Jahre später. Die Arbeit an den Symphonien wurde jedoch dadurch gebremst, dass die zeitaufwändige Lehrtätigkeit Bruckners Haupteinkommensquelle blieb. Während Brahms seinen Verlegern einen stetigen Strom verkaufsfähiger Werke in kommerziellen Gattungen lieferte, war dies bei Bruckner nicht der Fall; er erhielt nur einmal ein Honorar von einem Verleger, und zwar für sein Te Deum.
Das letzte Jahrzehnt seines Lebens wurde von der wohl größten und folgenreichsten Enttäuschung überschattet, als Hermann Levi – der erste Dirigent des Parsifal – die erste Fassung der Achten Symphonie ablehnte. Dies löste eine Vertrauenskrise und eine Reihe von Überarbeitungen aus, die uns wahrscheinlich den Schlusssatz der Neunten raubten, der „dem lieben Gott“ gewidmet und als symphonischer Höhepunkt geplant war, der dem Beethovens in nichts nachstand.
Bis zu seinem Tod im Jahr 1896 hatte Bruckner jedoch zumindest eine gewisse offizielle Anerkennung erlangt. Der Kaiser, Widmungsträger der Achten, verlieh ihm 1886 den Franz-Joseph-Orden (verbunden mit einem kleinen Stipendium). Später überließ er Bruckner das so genannte Kustodenstöckel, ein Pförtnerhaus, das an das prächtige Wiener Obere Belvedere angebaut war – heute Heimat einer der großen Kunstsammlungen der Stadt –, als er zu gebrechlich geworden war, um die Treppen zu seiner Wohnung in der Heßgasse auf der anderen Seite der Wiener Innenstadt zu erklimmen.
Eine große Ausstellung, die derzeit im prächtigen Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek läuft, nennt Bruckner den „frommen Revolutionär“, und es besteht kein Zweifel daran, dass er – trotz seines wechselhaften Rufs während der Wirren des 20. Jahrhunderts – ein revolutionärer Komponist war. Er widmete die letzten 30 Jahre seines Lebens einer prestigeträchtigen, aber umstrittenen Gattung, der Symphonie, deren Schicksal nach Beethoven ungewiss gewesen war. Um dieses Ziel zu erreichen, stellte er sich einer einzigartigen ästhetischen Herausforderung: Er wollte die Kraft und den Wagemut von Wagners Musik mit seiner jahrzehntelangen Ausbildung in traditioneller Harmonie und Kontrapunkt in Einklang bringen und eine ganz eigene Musiksprache schaffen.
Während die vier Symphonien von Brahms zu Lebzeiten der Komponisten größere Anerkennung fanden, erwiesen sich Bruckners Symphonien wohl als die einflussreichsten, da sie in ihren nebligen und geheimnisvollen Einleitungen (man denke an Beethovens Neunte), ihren kraftvollen langsamen Sätzen (die Eroica) und den großartigen Kulminationen ihrer Finalsätze (wiederum die Neunte) bewusst eine noch stärkere Verbindung zu Beethoven herstellten.
Mahler mag ein ganz anderer Komponist gewesen sein, dessen Leben und Lieben in einer Weise in seine Musik eindrangen, die bei Bruckner völlig undenkbar war, aber es ist schwer vorstellbar, dass seine Werke ohne Bruckner dieselben wären – ganz zu schweigen von den symphonischen Werken von Franz Schmidt (der in frühen Rezensionen mit Bruckner verglichen wurde) oder Stenhammar, und sogar Sibelius. Dass seine Werke auch heute, 200 Jahre nach seiner Geburt, noch die Kraft haben, Musikliebhaber zu bewegen (und zu verblüffen), zeugt von seiner zielstrebigen Vision und Leistung – nicht schlecht für Tonerl aus Ansfelden.
Hier finden Sie die nächsten Aufführungen mit Musik von Anton Bruckner.
Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz