Im Gegensatz zu seinem diesjährigen Jubilar-Freund Telemann war es Bach nicht gegönnt, mit französischen Stil-Kompositionen in Paris selbst zu reüssieren. Das Orchestra of the Age of Enlightenment und William Christie schufen nun ein historisch wünschenswertes Festprogramm, indem sie ihn mit „Bach goes Paris“ zu den Lieblingen Rameau und Campra gesellten. Letzterer steuerte mit gusto italiano-Einflüssen, die schon der Suite-Name offenbart, seinen Beitrag zur sowohl sommerlich-leichten als auch prunkvollen und spritzigen Atmosphäre der unterhaltsamen Tanzeinlagen. Mit Fischer fand außerdem jemand seinen Platz auf den Notenständern, dessen musikfrankophiler Auszug aus Le Journal du Printemps nicht nur die räumlich und klimatisch vorgestellte Kulisse passend ergänzte, sondern sogar Bach beeinflusst haben soll.
Das feurige Temperament zog dabei sofort mit der Ouvertüre der ausgelassenen Les Fêtes Vénitiennes Campras auf das Parkett ein, selbst wenn das Ensemble die von Christie gestenreich geforderten dynamischen Variationen im langsameren Teil noch nicht so recht übersetzte. Natürlich flogen die punktierten Rhythmen zackig – und bereits hier in überaus schnellem Tempo – umher, aber erst der folgende Wecker des Tambourins brachte diese Aufmerksamkeit, um den Tänzen ein artikulatorisches Interpretationsmuss an Abwechslung und Schattierung zu geben. Den weiteren charakterlichen Farbunterschied machten dann die typischen Einmärsche, bei denen die Militärtrommel für ein knackiges Entrée und böllerknallende Synkopen-Komik sorgte.
Karnevalistischen Witz zupften Streicher und Cembalo in der Gigue mit spielmannszug-frohlockenden Piccoloflöten, welche auch die Ankunft des dörflichen Trupps bei diesem Spektakel beträllerten. Huschten die dafür illuster-kostümierten Harlekins durch leises, fein-wuseliges, welliges Streichergeläuf vor dem geistigen Auge umher, schritten Gaukler mit fast nicht ernstzunehmender Ernsthaftigkeit und Eleganz ein, deren diebischen Tanz Christie mit seinen Schultern ein wenig vorspielte. Bei den Klängen der Kastagnetten war auch ohne Blick in die Satzbezeichnung klar, dass schließlich die Spanier ihren Besuch abstatteten, die zu getrageneren Oboen und Fagotten geradezu royal einwandelten. Mit Chaconne betitelt schien es, als müssten die sehr vornehmen Franzosen dann dem bunten Treiben den finalen Glanz verleihen. So beschließt Campra die Feierlichkeiten mit melodischer Schönheit und Erhabenheit, für die die Flötisten zur Traverse griffen und drei Violinisten zarte, edle Intermezzi einsträuten.
Vor dem mit Bachs Orchestersuite Nr. 4 ersten Pariser Korrektiv, kam in Fischer siebtem Beispiel des Frühlings, Le Journal du Printemps, ein auch schon sommerliches Flair auf, dessen schneller, dichter und ausgewogener Kontrast Bachs Inspiration getroffen haben könnte. Auf jeden Fall brachte das Orchester das überdeutlich französische Musikidiom in der Kürze bestens heraus. So exerzierte es mit dem Stück innewohnenden Fleiß, Spaß und Akuratem ob seiner treffenden Sprache die Ouvertüre aus balanciert punktierter Enge und sehniger Weite samt kurzen, derberen Basseinwürfen. Als hätte Fischer wie die heutigen Zuhörer zuvor Campras Chaconne vernommen, immitierte er in der hinreißenden Passacaille quasi diese akademische Noblesse, ausgedrückt durch ein Wechselspiel aus Tutti und dreistimmiger Zierlichkeit von zwei Bratschen und einer Geige. Wärmten die Traversflöten ein angenehm schaumiges, weiches Menuett, wirbelte das Ensemble im Finale einen frischen Wind auf, dessen endender Trommelknall zu Bach zog.