Die jährlichen Brucknertage, ein Mini-Festival des Chorherrenstifts St. Florian in Oberösterreich, ist der Höhepunkt der Bruckner-Vorstellungen weltweit – besser geht es nicht. Das heißt nicht unbedingt, dass die Konzerte dort die besten sind, aber das Privileg, an diesem magischen Ort – das weitläufige Kloster, das immer Bruckners wahre Heimat war, in Bruckners Landschaft, gestärkt von seinen Lieblingsspeisen, mit Bruckners Volk, so offen, herzlich und voller Hingabe dafür, das beste für ihren Komponisten zu tun – dieses Privileg ist ein unbezahlbares Geschenk für die winzige Gruppe von Bruckner-Enthusiasten, die diese wundervolle Veranstaltung organisieren.
Der triumphale Schluss von Bruckners Achter Symphonie, in dem es – wie Dirigent Rémy Ballot im Programmheft schrieb – in Wirklichkeit kein Ende gibt, sondern eine abschließende „Lichttaufe, eine Vision von Ewigkeit, von Hoffnung, von Erhebung der Menschheit in eine zeitlose Dimension“, das war nicht nur Bruckners Triumph, sondern auch der des überragenden Oberösterreichischen Jugendorchesters, dessen Mitglieder im Durchschnitt gerade einmal 17 Jahre alt sind. In dieser gewaltigen Coda, hier in gewichtig-langsamem Tempo, wurde jeder Abschnitt perfekt geformt, und mit unbezwingbarer Kraft präsentierte das Orchester die Überlagerungen der Hauptthemen jedes Satzes in strahlendem C-Dur, das durch das Kloster hallte, vor Energie geradezu pulsierte und wie Gold und Silber glänzte.
Es war ein passender und großartiger Abschluss einer Woche, in der man – fälschlicherweise! - das Gefühl bekam, man hätte alles erfahren, was es über Bruckners Achte zu sagen gibt. Nachdem er zwölf Jahre lang über 10.000 Seiten Manuskript untersucht hatte, konnte Professor Paul Hawkshaw ein wenig Licht ins Dunkel bringen was die leidige Frage betrifft, inwiefern Bruckners junger Schüler an dieser 1890er Version der Symphonie beteiligt war. Matthias Giesen und Franz Farnbergers Darbietung einer Transkription der Symphonie für zwei Klaviere war eine wahre Meisterleistung, und wenn man ein paar Tage vor dem Konzert in die große Abtei spazierte, so konnte man auch die Orchesterproben hören. Diese jungen Leute spielten makellos, mit wundervollen Solisten in den Blech- und Holzbläsern, doch dann war da dieser außergewöhnliche Moment im langen, stillen Ende des Adagio, als ein Baby, das wohl über eine Stunde lang friedlich in den Armen seiner Mutter geschlafen hatte, plötzlich aufwachte und seinem Erschrecken mit einem wilden Schrei Luft machte. Ein absoluter Albtraum für den Aufnahmeleiter John Proffitt, aber es war, als wäre einer frühkindlichen Erfahrung in Bruckners Musik plötzlich Ausdruck verliehen worden!
Zum Glück wurde das eigentliche Konzert nicht von einem solchen Trauma unterbrochen. Mit einer Stunde und fünfzig Minuten war es war eine Vorstellung dieser Symphonie, wie man sie länger wohl nicht hört, was zum einen daran lag, dass Maestro Ballot genau das tat, wonach die Partitur verlangt: Das Finale soll „Feierlich, nicht schnell“ beginnen – das es; die Anweisung für das zweite Thema ist „Langsamer“ – das war es, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass das dritte Thema schneller gespielt werden sollte – und es klang in der Tat sehr langsam. Das kurze, marschähnliche Thema wird plötzlich für eine „lange Pause“ unterbrochen, worauf sich dann aus der Stille in den hohen Streichern und Holzbläsern ein wundervoller Choral herab senkt: die Mitglieder des Jugendorchesters spielten ihn, als wären sie Engel – ein himmlischer Moment.