Vor genau 50 Jahren gründete der Geiger Gabor Takács-Nagy an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest das nach ihm benannte Takács Quartet. Inzwischen ist nur noch der Cellist András Fejér als Gründungsmitglied Teil des Ensembles; mit Edward Dusinberre und Harumi Rhodes (Violine) sowie Richard O´Neill (Viola) hat die Gruppe ihren Sitz nach Boulder verlegt, lehrt an der University of Colorado. 2014 wurden die Takács als erstes Quartett mit der Wigmore Hall Medal geehrt, und durch die Gesamteinspielung aller sechs Bartók-Streichquartette hatte sich das Quartett bereits 1996 mühelos in die besten Ensembles der internationalen Szene eingereiht. Christoph Kessler, Initiator der Tölzer Quartettissimo!-Konzertreihe, ist es nun gelungen, das Ensemble ins oberbayerische Bad Tölz zu verpflichten; ein höchst erfreuliches Zeichen, welche Wertschätzung die Tölzer Veranstaltungen inzwischen international genießen.

Wie aber klingt ein „authentischer” Bartók von einem Ensemble, das seine Wurzeln in Ungarn hat? Überraschenderweise sehr licht und gemessen: Folklorismen wurden zwar mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ausgespielt, jedoch nie übertrieben. Auch die modernistischen Härten von Bartóks Streichquartett Nr. 3, Sz 85, waren in ausgesprochen mildes Licht getaucht, das mehr die melodische und rhythmische Schönheit dieser Musik als ihre expressive Radikalität betonte.
So wurden im einleitenden, gänzlich atonalen Moderato die kantablen Legato-Motive hervorgehoben. Dabei ignorierten die Takács das Brutale keinesfalls, doch erschien es bei ihnen nicht als exzessiver momentaner Ausbruch, sondern eingebettet in dynamisch ausgefeilte Spannungskurven. Im lebhaften Allegro dominierte vitale Rhythmik, Sturm und Braus, vibrierend und sezierend zugleich. Hier sprach eine scharfkantig-rabiate Spielweise vor allem von der Progressivität in Bartóks Werken, wurden lustvoll herbe Glissandi und knirschende Dissonanzen herausgeschleudert. Wunderbar filigran schließlich die Ricapitulazione, als das Cello melodiös die Viertonmotive des ersten Satzes aufnahm und die Bratsche in sanglichem Legato den Stimmungsbogen organisch erweiterte.
Schon beim ersten Werk des Abends, Joseph Haydns Streichquartett Nr. 74 g-Moll, Op.74 Nr.3, faszinierte der Eindruck, wie stark Haydns Spannungs- und Erzählbögen vom benachbarten ungarischen Melos beeinflusst wurden. Pfiffig die Vorausschläge und Oktavsprünge des Hauptthemas im Allegro, die dem Werk den Beinamen Reiterquartett eingetragen haben. Den Charme, ja Witz dieser Musik genossen die vier Musiker sichtlich, die überraschenden Wendungen bei dem so sehr auf rhythmische Prägnanz setzenden Stück servierten sie mit subtilem Feingespür. Das feierlich-pathetische Largo gewann in seiner Ernsthaftigkeit besonderes Gewicht. Auch das Menuett fand nach schlichtem Beginn einer Tonleiter-Melodik zwischendurch zu tänzerischer wie robuster Rhythmik. Im vorwärts preschenden Finale beeindruckte dann das Spiel mit zwei kontrastierenden Themen, einem galoppierenden in g-Moll und einem spielerisch bewegten in G-Dur. Ein raffinierter Schluss, wenn das freundliche G-Dur-Thema Oberhand zu erlangen scheint, dann doch mit Motivteilen des heftigen Galoppierens verschmilzt.
Claude Debussys Streichquartett g-Moll, Op.10 gilt als typisch französische Musik; daneben haben aber auch andere Einflüsse zum Stil des 1893 entstandenen Werks beigetragen. Fünf Jahre zuvor hatte der Komponist Bayreuth besucht und Wagners Parsifal erlebt. Anlässlich der Pariser Weltausstellung 1889 begegnete ihm fernöstliche Musik. Alle diese Elemente hat Debussy zu einer eigenen Klangsprache zusammengefügt, welche ihren Reiz und ihre Eigenständigkeit ausmachen. Akademische Formen mochte Debussy nicht; so führten individuelle Klanglichkeit und freier Umgang mit der Form zu eigenem Stil.
Die vier Sätze sind alle aus dem Hauptthema des Kopfsatzes entwickelt, aber nicht in Form der klassischen Durchführungstechnik, sondern indem derselbe Gedanke immer wieder mit exotischen Klängen, gleitenden Instrumentalfarben und ungewohnter Rhythmik umspielt wird. Pastos, elegant und doch muskulös erklang das einleitende Animé et très décidé, gaben leiterfremde Töne die Empfindung von silbrig schwebenden Klangräumen. Ausgedehnte Pizzicato-Abschnitte zeichneten das Assez vif aus, das die Vier fast feixend vortrugen. Voller Inbrunst zelebrierten sie das schwermütige Andantino, bevor der Finalsatz noch einmal impulsiv und mit strahlendem G-Dur beeindruckte. Mit einem launigen Presto aus dem Rasumowsky-Quartett C-Dur von Beethoven setzten sie einen launig köstlichen Schlussakkord hinter die kammermusikalische Sternstunde.

