Ob tatsächlich 1772 komponiert oder nach unmittelbar zuvor gesetzten Noten im Druck erschienen, feierte das dänische Ensemble Concerto Copenhagen unter seinem Leiter Lars Ulrik Mortensen beim Haydn-Sommer der Brühler Schlosskonzerte jedenfalls 250 Jahre mittelperiodische Fertöd-Esterházy-Symphonien des Komponisten, denen die Besetzung aus Streichern, Hörnern und Oboen sowie natürlich einige Eigenheiten gemein sind. Bei den die berüchtigte Trauer-Symphonie einrahmenden – eher noch weniger beachteten – Versionen Nr. 47 und 43 im Hoboken-Verzeichnis sind es zum Beispiel in ersterem Fall das Trio, dessen erster Teil Al roverso (rückwärtsgespielt) das Gegenstück des satztechnischen Menuetts ist, und im zweiteren Haydns Überraschungen, die damalige Kritiker eher etwas nerven, provozieren und reizen sollten.

Ganz im Sinne Haydns Spirits provozierte und reizte das in original kleiner Residenzgröße von 14 Musikern im Schlosstreppenhaus seine antiphone Aufstellung bezogen habende CoCo, als es – getreu des Konzerttitels, „Das blühende Leben“ – in einer Straffheit, Technik und blinder Vertraulichkeit von beeindruckenden Maßen nur so vor Kraft strotzte. Streicher und Oboen überschlugen sich dabei in Verve und Akzenten, um den vorzüglichen Sforzati-Naturhörnern kein bisschen nachzustehen. Sie fungierten und kumulierten stets aufs Neue im Allegro der Symphonie Nr. 47 als eindeutige Zeichen aufgehender Energieschübe, nachdem zwischendurch auch die leichten, charmant-melodiösen Durchschnaufer und Rücknahmen von einnehmender Phrasierung und Spannung durchsetzt gewesen waren. In voller Blüte stand zudem der übereinstimmend zur Satzbezeichnung nicht zu langsame zweite Satz, da der ineinandergewebte Fluss der historischen Instrumente mit dem Effekt der thronenden Hörner den überwältigenden Eindruck entstehen ließ, man schaute vom Baumwipfel auf das sonnenbestrahlte Spiel und Ergebnis der Natur. Erfüllte das Palindrom-Menuett mit seinen darin bestens hervorgebrachten Synkopen-Kniffen seine Spaß-Funktion in knackiger Rhythmik, heizten Mortensen und Orchester mit noch mehr Sturm-und-Drang-Flammen im Presto assai ein. Erster Hornist Emmanuel Frankenberg und erster Oboist Antoine Torunczyk wandten sich in hüpfender Aufmüpfigkeit und Emotionalität einander zu, die mit den Streichern in revoltierend anzettelndem Impetus den ersten Rausch des Abends bescherten.
Es erübrigt sich fast, dass das nun von der Satzbetitelung des Kopfallegros der Trauer-Symphonie geforderte Feuer in der Form loderte, dass nach der inspirierenden Farbigkeit eingezogenen Ernsts der Eingangstakte die herrlichen Läufe und Übergaben in den Streichergruppen kompakt und zur hellen Freude miteinander tanzten. Zugleich verlangte die ganze Struktur erheblichen Respekt; solchen, den das Ensemble mit der von Mortensen typisch temperamentvoll in jede Pore eingewirkten Dramatik selbstverständlich einflößte. Sehr bewegt artikuliert, zupackend theatralisch und scharf zeigte sich auch das Menuett, das so gleichzeitig die warmen Kontraste des Trios zu verdeutlichen wusste. Beim Adagio, das Haydn angeblich später für sein Requiem auserkoren hatte, hatte ich außerdem das Gefühl, der Komponist hockte auf der Schulter des Dirigenten, um ihm zu gratulieren, wie wunderbar er es mit sympathisch-schreitendem Tempo und unbedröppeltem Ausdruck verstand, Haydn anrührig lächelnd ein weiterlebendes Andenken zu bewahren. Derart die Seele genährt, wünschte ich mir im Finale, mich inmitten des Orchesters vom Schwung beschallen zu lassen. Es war offensichtlich der zweite Rausch, der mich befiel.
Ungebrochen agil ging CoCo in der Symphonie Nr. 43 zu Werke, trat erhebende Wellen los und schmiss das Karussell von Reizfluten und Überraschungen an. Köstlich, wie nach dem Wirbelwind des Allegros das laute Vogelgezwitscher von draußen wahlweise wie wetteiferndes Nachahmen oder anklagende Ruhestörung klang. Das Adagio jetzt genusssicher ruhiger (fagotto tacet), entspann sich schließlich der Quartett-Zauber der langen Streicherpassage, ehe das ab und zu stützende, Volumen gebende Horn im folgenden Menuett wieder den Ton für muntere Zünftigkeit setzen durfte. Schließlich folgte der dritte unvergessliche Rausch im überschwänglichen, rasenden Schlusssatz, in dem die Streicher auch ihre heiklen unisono-Stellen meisterten und dessen Coda Concerto Copenhagen für die erste Zugabe wiederholte. Wie sehr Haydn in Mortensen steckte, bewies der Dirigent mit der zweiten Encore: es waren lediglich die drei Schlussakkorde, deren Situationswitz in gelöstem Gelächter umso länger nachhallte.