Nachdem der chinesisch-amerikanische Komponist Tan Dun im letzten Jahr auf dem Holland Festival mit seinem Requiem for Nature eine Bearbeitung seiner Buddha-Passion dirigierte, war er in diesem Jahr mit einer echten Erstaufführung in Amsterdam. Zum Abschluss der alljährlichen, bunt programmierten Sommerkonzerte im altehrwürdigen Concertgebouw stand sein neustes Werk Chorkonzert: Neun für Chor und großes Orchester auf dem Programm. Kombiniert wurde es mit Beethovens Neunter Symphonie, denn genau von diesem Meisterwerk hat sich Tan Dun für sein neues Werk inspirieren lassen.
Tan Duns monumentales Chorkonzert ist dreisätzig. Die Titel der drei Teile – Nine, Wine und Time – sind im Chinesischen von ein und demselben Wort („Jiu”) abgleitet. „Diese drei Wörter sind auf so interessante Weise miteinander verbunden”, meint Dun. „Sie verbinden die Klänge der Natur, des Geistes und der Zeit (Ewigkeit).“
Neben einigen auch von Beethoven gebrauchten Texten von Friedrich Schiller benutzt Tan Dun Texte von drei chinesischen Dichtern und Denkern: Qu Yuan (340-278 v. Chr.), Laozi (6. Jahrhundert v. Chr.) und Li Po (701-762 n. Chr.). Bereits auf der Textebene entsteht so ein Dialog zwischen Europa und Asien, wobei der Chor aber größtenteils Nonsens-Worte singt. Dazu erklärt Tan Dun: „Tatsächlich besteht vieles von dem, was der Chor singt, aus leeren Worten. ,Leer’ bedeutet alles. Nichts existiert auf Dauer. Deshalb finde ich es sehr interessant, die ,Leere’ zu verwenden, um ,alles’ darzustellen.”
Das Stück beginnt mit Röhrenglocken und Flüsterstimmen. Der im Amsterdamer Saal zu beiden Seiten der Orgel aufgestellte groß besetzte World Youth Choir beeindruckte gleich zu Beginn mit fragilem Obertongesang. Dazu setzten die langsamen Schwingungen von Klangschalen den spannungsgeladenen Ton, bevor die Blechbläser durch rhythmisches Schlagen auf ihre Mundstücke die meditative Atmosphäre erst fortsetzten und später aufbrachen. Wie aus weiter Ferne zitierten die Streicher Beethovens hinunterfallendes aneinander anschließendes Anfangsmotiv. Was sich in der Folge entwickelte, war eine verwirrende Mischung von allem, was den engagierten Komponisten Tan Dun (seit letztem Jahr ist er Goodwill-Botschafter bei der UNESCO) berühmt gemacht hat. Als zitiere er sich in einem Fort selbst, erklang erst lyrisch überwältigende Filmmusik, großartig orchestriert für alle Mitwirkenden, dann immer wieder abgewechselt mit subtilen Avantgardepassagen und vielseitiger Einsatz von ungewöhnlichen Schlagzeuginstrumenten. Das Geräusch von aufeinander geschlagenen Steinen dominierte (ur)zeitlos ganze Passagen.