Schicksal, Tod und Jenseits scheinen auf den ersten Blick keine Themen, die einen kurzweiligen Abend versprechen. Das komplette Gegenteil erlebte man gestern aber im Nationaltheater, als das Bayerische Staatsorchester seine Reihe der Akademiekonzerte eröffnete. Unter der Leitung von Kirill Petrenko und gestaltete das Orchester gemeinsam mit Diana Damrau ein Programm von Ligeti über Strauss bis Tschaikowsky, das mit atemberaubender Intensität von den Schattenseiten des Lebens berichtete.
Den Fixpunkt bildete dabei Petrenko, der mit meisterhaftem Dirigat das Orchester zu mitreißenden Klangbildern anspornte. Immer wieder führt der Blick zu Petrenko, der wie das Energiezentrum wirkte und das Konzert auf Ausnahmeniveau hob. Bereits bei Ligetis Lontano bemerkte man, mit welcher Perfektion Petrenko das Bayerische Staatsorchester eingestellt hatte. Die teils bis ins kaum Hörbare vorgeschriebenen Pianissimi schienen ihm keine Entschuldigung für faserigen Klang. Mit unglaublicher Sicherheit führt er die Musiker durch das komplexe Werk, in dem nichts und gleichzeitig doch so viel passierte.
Ein kontinuierlicher Klangteppich, den die Musiker mit zerreißender Spannung immer weiter fortentwickelten, ließ dabei den Eindruck entstehen, die Musik komme wie hinter einem sehr dichten Nebel hervor. Manchmal wie flirrendes Brummen, manchmal wie eine windstille, kahle Landschaft kreierten die Musiker die teils bizarren Klänge mit fesselnder Expressivität. Petrenko dirigierte dabei kaum Tempovorgaben, sondern formte sichtbar mit seinen Händen die Klänge des Orchesters: Schob er seine Hände zusammen, verdichtete sich der Klang; öffnete er die Arme, breitete sich auch der Klang aus. Gerade in den verebbenden letzten Takten merkte man, wie gut sich auch das Nationaltheater für Ligetis atmosphärische, klangbeladene Musik eignete.
Nicht einmal zwei Jahrzehnte älter als Ligetis Lontano, wirkten Richard Strauß’ Vier letzte Lieder wie ein Anachronismus, der allerdings mit kaum weniger, aber doch so anderen Klangfarben aufwarten konnte. Diana Damraus Interpretation der Lieder legte dabei nicht den Schwerpunkt auf bloße opulente Klangfülle, sondern stellte vielmehr in feiner Genauigkeit die Charaktereigenschaften der einzelnen Lieder hervor. So wirkten diese noch viel ergreifender und die genau dosierten dramatischen Momente (z.B. „Und die Seele unbewacht...“) viel expressiver. Und der Zuschauer konnte sich glücklich schätzen, dass er mit Diana Damrau eine so schauspielstarke Sopranistin hatte, die den Text mit ihrer Mimik und ihrem Ausdruck dem Publikum geradezu vorspielt und den Bogen vom kraftvollen, ehrlich fröhlichen Frühling zum tief melancholischen Beim Schlafengehen führte. Mit eben gleicher Selbstverständlichkeit übernahmen die Musiker die Stimmungen und beendeten Beim Schlafengehen mit höchst introvertiertem Klang, der allerdings keinesfalls die ergreifende Schönheit der Melodien einschränkte, sondern im Gegenteil mit ehrlicher Klarheit fesselte.