Die Saisoneröffnung 2017/18 des Konzerthauses Berlin teilten sich der US-amerikanische Organist Cameron Carpenter, der diesjährige Artist in Residence, und das Konzerthausorchester unter seinem Chefdirigenten Iván Fischer.
Carpenter, der gerne als „exzentrischster Organist der Gegenwart“ bezeichnet wird, mag nach eigenen Worten die unbrauchbaren Instrumente nicht, auf denen er lange spielen musste. Darum ließ er sich 2014 eine fünfmanualige Digitalorgel bauen, deren Klänge elektronisch erzeugt werden, wodurch die Möglichkeiten altehrwürdiger Orgeln übertroffen werden. In ihr sind Klänge verschiedenster Kirchenorgeln gespeichert und programmiert. Sie kommt nicht nur Carpenters klanglichen Idealvorstellungen nahe, sondern erlaubt es ihm auch, mit ihr wie ein Geiger mit seinem vertrauten Instrument auf Tournee zu gehen.
Dass zum Orgelspiel auch eine vorzügliche Virtuosität im Pedalspiel gehört, weiß der ausgebildete klassische Tänzer genau. Allein die Körperbeherrschung, die es ihm erlaubt, mit Leichtigkeit seine Fußspitzen und Fersen mitunter auch zweistimmig über die Pedale fliegen zu lassen, während er gleichzeitig mit den Händen an den Manualen spielt, ist beeindruckend. Dabei bewegt er sich übrigens ganz auf den Spuren Bachs, der nach Berichten mit seinen beiden Füßen auf dem Pedal so flink spielen konnte, wie manch’ anderer nicht seine fünf Finger einsetzen konnte.
Da in Bachs Präludium und Fuge, BWV 532 ist das Pedal virtuos eingesetzt ist, konnte Carpenter an diesem Stück seine Kunst besonders überzeugend demonstrieren. Danach spielt er sehr meditativ Bachs Choralbearbeitung Jesus bleibet meine Freude. „Meine Orgelmusik soll sinnlich und verführerisch sein“ formulierte Carpenter einmal. Doch wenn er seine Orgelbearbeitung des Adagiettos aus Mahlers fünfter Sinfonie vorträgt, stößt diese Kunst insofern an die Grenzen, als die seltsam manieristischen Crescendi, mit denen er den Streicherklang schmelzend auf der Orgel nachahmte, doch verfremdend wirkten. In seinem Element war Carpenter dann wieder, als er als Zugabe seine Bearbeitung der Gigue aus Bachs Französischer Suite in G-Dur vortrug. Großer Applaus für einen so exzentrischen wie ernsthaften Künstler.
Nach der Pause dirigierte Iván Fischer das Konzerthausorchester Berlin. Es erklang Mahlers Fünfte, die der Komponist einmal „ein verfluchtes Werk“ nannte und beklagte, dass „niemand sie capiert.“ Die Verbindung mit Bach leuchtete ein; denn als Mahler sich 1901 wie gewohnt zum Arbeiten in sein Komponierhäuschen zurückzog, hatte er Noten Bachs eingesteckt, um an ihnen den polyphonen Satz zu studieren. Es war ein Anliegen Fischers, das komplizierte Stimmengewebe zu verdeutlichen, statt die oft zerstörerisch agierende Musik der ersten drei Sätze noch künstlich aufzuladen.