„So schlaf! Dein Name bleibt vom Untergang frey.“ Mit diesem letzten aus Satz Telemanns Sonnetts anlässlich Bachs Todes lässt sich zum Auftakt des jubilaren Telemannjahres nicht nur die anerkennende Freundschaft der Komponisten-Schwergewichte ablesen, sondern das Erlebnisprogramm titulieren, das das Ensemble Arcangelo nun vorstellte. Denn ganz Telemanns hehrem Wunsch gemäß ließ es mit Bachs Cembalokonzerten dessen Musik erkunden und erneut lebendig werden. Gleichfalls vermag das Zitat auf das Verfasser-Schicksal selbst leiten, den als damalig angesehensten Musiker zu schnell die abflauende Würdigung seines Schaffens ereilte. Jonathan Cohen und Team zollten mit zwei der bekanntesten und charakteristischen Ouvertüren-Suiten den gebührenden Respekt, der hoffentlich endlich zu einer befreienden, dauerhaften Wiederbelebung Telemanns werde.
Den Solistenplatz am Tastenquirl überließ Cohen dem Kollegen Kristian Bezuidenhout und griff stattdessen zum Cello. Dabei gab es streng genommen ausschließlich Solisten, bestand das Ensemble aus einer Stimme pro Part, fünf Streichern und einer Laute. Begonnen mit dem Konzert in g-Moll und dem durchdachten Interagieren war die Leidenschaft spürbar, mit der Bezuidenhout und das Ensemble der Musik kontrastreiches, freudiges Leben einhauchten. Traten die Streicher in den (tutti-)Melodiepassagen markant auf, nahmen sie sich in der Begleitung stark zurück und hüllten ihre Saitenklänge in edle Schmiegsamkeit. Mit der unnachahmlichen und pulsierenden Flüssigkeit von Bezuidenhouts Spiel vollführten sie genüsslichste, erfrischende Kammermusik at its best. Diese besonders fein-wechselvolle Eröffnung, mit intimer Gedämpftheit, scheinbar dominanter Strenge und dann aufgedrehtem Spaß machte dem Hörer sofort Lust auf mehr.
Noch ausdrucksstärker und neu gehört drang das Solistenteam in das befürchtet ausgetretene Feld der so bekannten Konzerte in D-Dur und d-Moll vor. In BWV 1054 folgte fetzigem Akkord-Einstand die sprudelnde Beschwingtheit der Läufe, die die Streicher in wunderbarer Transparenz der Stimmlinien emphatisch nachvollzogen. Neben seiner Fingerfertigkeit bewies Bezuidenhout mit spitzer Exaktheit und geschmeidigem Ermessen anregend feinsinnigen Geist. Hohe Streicher gaben sich dabei als harmonische Traumfänger und die Bässe strahlten eine starke, gefühlige, melancholische Tiefgründigkeit ab. Mit dem Stempel der vollen musikalischen Köstlichkeit und Federung versah das Ensemble den dritten Satz, staunend ob der perfekten Bewältigung der fisseligen, kettenläufigen Noten-Takelage als wäre sie nichts.
Die Erkundung des d-Moll-Concertos geriet in dieser formidablen Zusammensetzung am dramatischsten und intensivsten. Stürmisch nahmen Bezuidenhout und Arcangelo den Anfang, der einer Maschine gleichkam, bei der alle Schritt halten konnten, auch wenn es im Eifer bei den Violinen zu kleineren intonatorischen Malaisen kam, die bei dieser transparenten Besetzung schonungslos offengelegt werden. Aber in Anerkennung dieses Schwierigkeitslevels trübte es nicht das zweifellos beeindruckende Zuwerfen und Ineinandergreifen der melodischen Spielereien und herrlichen Komplexe, bei dem sich das Cembalo-Solo als Elixir erwies. Körperreicher, gleichsam natürlich und tiefschichtig füllte er das vom Tastenspiel an die Orgel erinnernde Adagio mit flüchtigem wie tröstlich-erhofftem ewigen Leben, das er im kunstvoll-spritzigen Finale zum Überschäumen erquickte.