Balletttänzer proben meistens zusammen mit einem Pianisten. Und auch das Ballett Russe des Impresario Serge Djaghilev hat zur Erarbeitung der Choreographie von Le Sacre du printemps die Musik von Igor Strawinsky in einer Klavierbearbeitung erhalten und eingeübt. Es heißt sogar, dass Claude Debussy diese Bearbeitung in häuslichem Kreise zusammen mit Strawinsky gespielt haben soll. Dieses Arrangement ist für Klavier vierhändig, wurde aber von Momo und Mari Kodama an zwei Klavieren vorgetragen, was dem Klang und der visuellen Präsenz bei ihrem Konzert in Amsterdam zugutekam.
Die Ausführung des Sacre bestach durch die fühlbare Konzentration der Pianistinnen. Das Publikum wurde nicht durch 100 Musiker abgelenkt, sondern stattdessen von zwei großartigen Solistinnen durch die farbenprächtige Monsterpartitur geleitet. Alle Noten waren glasklar und mit der richtigen Energie hörbar und auch sichtbar, was sogar dem Kenner dieses nun 105 Jahre alten Meisterwerkes viele neue Einblicke in die geniale Kompositionstruktur gab.
Mit welcher rohen körperlichen Gewalt man einen Konzertflügel bearbeiten beziehungsweise bespielen kann, habe ich vor diesem Konzert nicht gewusst. Die Schwestern Kodama haben eine sehr unterschiedliche Armhaltung beim Musizieren – während Mari Kodama ihren Unterarm in einem Winkel von exakt 90 Grad zu ihrem Oberarm hält, ist der Unterarm ihrer 5 Jahre jüngeren Schwester Momo meist vom Ellbogen schräg nach unten abgewinkelt. Beide Pianistinnen aber gebrauchen ihre Arme an bestimmten Stellen wie Schlagstöcke, um die in der Partitur vorgeschriebene extreme Lautstärke zu erzeugen.
Als Konzertsolistinnen spielen beide Schwestern ein unterschiedliches Repertoire. Mari hat alle Beethoven Klaviersonaten aufgenommen und spielt unter anderem das Klavierkonzert von Carl Loewe. Momo spielt alles von Messiaen und hat gerade Debussy und Hosokawa aufgenommen. Dieser unterschiedliche Musikgeschmack macht das Duospiel der beiden zu einem sehr spannenden Erlebnis. In Interviews beschreiben beide hochkarätige Interpretinnen ihre noch junge Zusammenarbeit als Klavierduo als fruchtbar. Mit seiner Schwester ist man offen und erlaubt sich, heftige Diskussionen auf der Suche nach dem richtigen Ausdruck, doch am Ende macht es auch viel Spaß, sagen beide. Und das sieht man, genauso wie man das Ringen um ein gemeinsames interpretatorisches Endergebnis hört.
So wechselten sie sich im Register ab. In den Souvenirs von Barber spielte Mari die zweite Stimme im unteren Register und gab sehr deutlich den Ton an. Sie trieb die Rubati an und beeinflusste äußerst gekonnt die große dynamische Bandbreite. Immer wieder fiel ihr kräftiger Ton auf, der wie im Walzer oder im Tango auch Derbheit nicht scheute. Mit viel Witz und Eleganz kamen auch die Nebenstimmen zu ihrem Recht. Momo Kodama kommentierte im oberen Register die von amerikanischen Barpianisten inspirierten Tanzstücke meisterhaft mit modernen Farbtupfern.