Das Programm, das die Berliner Bach Akademie und das Konzerthausorchester unter der Leitung von Heribert Breuer im Großen Saal präsentierten, war keineswegs so traditionell, wie es auf den ersten Blick scheint: Breuer stellte die zwei Komponisten und ihre letzten, jeweils unvollendet gebliebenen Werke nämlich nicht nur nebeneinander, sondern ließ sie in einer bemerkenswerten musikalischen Verbindung miteinander erklingen.
Spätestens als Dirigent Breuer in seiner kurzen Erläuterung zum Programm vor dem Beginn des Konzertes von der Bachfuge Contrapunctus XIV als „Cool Jazz“ sprach, wurde deutlich: An diesem Abend würde man Bach und Mozart hören - aber nicht so wie sonst. Die Trauerkantate Actus tragicus hatte Breuer in Anlehnung an Mozarts Orchester im Requiem instrumentiert, und so erklangen beispielsweise Klarinetten anstelle der Blockflöten. Das Konzerthausorchester machte sich seine reichhaltigen Klangmöglichkeiten besonders in der Sonatina zunutze und beeindruckte mit einem gefühlvollen Konzertauftakt, ließ jedoch in der Folge ab und an intonatorische und rhythmische Genauigkeit vermissen. Die Berliner Bach Akademie bestach im Gegensatz dazu fortwährend durch Präzision und Klangschönheit. Als sie die Bachsche Seufzermelodik sanft, aber bestimmt aus der musikalischen Masse hervortreten ließ, füllte sie den Konzertsaal mit jener dem Werk eigenen seelenvollen Schwermut. Mit ebenso durchdringender Emotion wie sich zielgerichtet steigernder Klarheit vermittelte der Chor den Zuhörern die unausweichliche Wahrheit der Bachkantate: „Mensch, du musst sterben!“. Der Actus tragicus gab auch den vier Solisten die Gelegenheit, sich dem Publikum vorzustellen. Neben Tenor Martin Petzold beeindruckte besonders Britta Schwarz mit ihrer vollmundigen Altstimme, mit der sie Bassist Jonathan de la Paz Zaens während des gemeinsamen Arioso con Chorale regelrecht an die Wand sang.
Man sagt, Bach sei über der Komposition des finalen Contrapunctus XIV seiner Kunst der Fuge verstorben; unvermittelt bricht die Fuge nach dem prägnanten B-A-C-H-Thema ab. Breuer ließ nur wenige Sekunden lang innehalten, bevor er dann die wohlbekannten ersten Takte des Requiems erklingen ließ: Im Moment von Bachs Tod erhob Mozart seinen andächtigen Trauergesang. Jegliche zuvor gehegte Skepsis über Breuers ungewohnt stattliche Instrumentierung der Bachfuge mit dem Mozartschen Orchesterapparat verflog in diesem Augenblick. Bachs Contrapunctus XIV erschien nun wie eine Ouvertüre zum Requiem und die beiden Werke verschmolzen zu einem.