Während draußen der Winter Einzug gehalten und München mit einer weißen Zuckerschicht bedeckt hatte, waren am Sonntagabend des 17. Januar eingefleischte Kammermusikfans aus München und Umgebung ins elegante Prinzregententheater gekommen, um einen kammermusikalischen Leckerbissen zu genießen. Das Cuarteto Casals steht mittlerweile seit fast zwei Jahrzehnten für intime Kammermusik auf allerhöchstem Niveau. Trotz der Verlockungen der modernen Marketing-Maschinerie sind die vier Musiker ihrem Stil treu geblieben und stets um hohe Werktreue bemüht, gepaart mit modernen interpretatorischen Akzenten.
Auch an diesem Abend unterstrichen die Musiker des Cuarteto Casals erneut ihren verlässlichen Anspruch an technische Perfektion und fein ausbalanciertes Zusammenspiel. Sie begannen mit dem sogenannten Quartettsatz in c-Moll, D703 von Franz Schubert, den der Wiener Komponist 1820 im Alter von 23 Jahren schrieb. In diesem Fragment sucht Schubert mit leidenschaftlicher Vehemenz seinen eigenen kompositorischen Stil und stellt zwei musikalische Ideen kontrastierend gegenüber. Diesen romantischen Kontrast gilt es herauszuarbeiten. Stets kontrolliert gelang es den vier Streichern, aus dem kurzen Charakterstück ganz unterschiedliche Stimmungen heraufzubeschwören. Während Vera Martinez-Mehner an der ersten Violine zu Beginn noch fast etwas verhalten ihre Kantilenen gestaltete, so als wolle sie zunächst nur den Bühnenraum mit ihrem geschmeidigen Geigenklang erfüllen, trug der brillante Cellist Arnau Tomàs seine Soli unmittelbar in den Saal und beglückte seine Mitspieler ebenso wie das Publikum mit seiner souveränen Spielkunst.
Es folgte das Streichquartett in F-Dur von Maurice Ravel. Während die absolute Kontrolle der Musiker bei Schubert und später am Abend bei Beethoven wunderbar kompakte und in sich stimmige Interpretationen ermöglichte, gab es vom impressionistischen Ravel-Quartett mutigere und kompromisslosere Interpretationen. So sehr waren die vier Musiker auf makellosen Klang und lupenreine Intonation bedacht, dass sie die flirrenden Stimmungswechsel und überraschenden harmonischen Wendungen nicht immer mit letzter Konsequenz gestalteten. Auch der langsame dritte Satz (Très lent) war zwar klanglich berückend schön – hier sei vor allem der Bratscher Jonathan Brown bewundernd erwähnt -, fiel jedoch fast auseinander, was aber in einem derart langsamen Tempo wohl kaum zu vermeiden ist. Schließlich handelt es sich um einen der ruhigsten und stimmungsvollsten Sätze der Quartettliteratur, der eher einem stillen Bergsee gleicht als einem bewegten Fluss. Der letzte Satz Vif et agité gelang dem Quartett fulminant und es gab zurecht schon vor der Pause begeisterte Bravo-Rufe.