Don Giovanni trifft Rusalka: Zu dieser ungewöhnlichen Paarung kam es am Theater an der Wien ganz zufällig. Das als Stagione-Betrieb geführte Haus spielt in diesen Wochen eine Serie von Antonín Dvořáks Rusalka, dazwischen stand ein als konzertant angekündigter Don Giovanni auf dem Programm. Da nun aber ohnehin ein fixfertig aufgebautes Bühnenbild herumstand, hatten sich die Sänger offenbar kurzerhand entschlossen, dieses zu nutzen. Traditionalisten unterstellen dem Regietheater bekanntlich gerne, dass man jede beliebige Oper in diesen ultramodernen Settings spielen könne – nun, ganz unrecht haben sie nicht. Denn das weiß geflieste Hallenbad (oder war es doch eine kahle Luxusvilla?) bot eine durchaus adäquate Spielfläche für Wolfgang Amadeus Mozarts Oper.
Dass es bei Sängern, die ihre Rollen nicht nur aus etlichen Produktionen in- und auswendig kennen, sondern diese auch zu sprudelndem Leben zu erwecken vermögen, nicht zwingend einen Regisseur braucht, stellten Erwin Schrott und Alex Esposito unter Beweis. Ein echtes Ereignis ist der Don Giovanni von Schrott, dessen Bassbariton in den letzten Jahren stetig an Volumen gewonnen hat. Das Timbre ist dunkel-kräftig, die Höhen schmeichelnd und die Tiefe profund; zusätzlich wird die Stimme so mühelos und selbstverständlich geführt, als ob Singen die normalste Form der Konversation wäre. Ja, man könnte ihm hin und wieder eine gewisse Schluddrigkeit gegenüber den notierten Wünschen des Komponisten vorwerfen, aber er gestaltet diese Partie so intelligent und lebendig, dass man das gerne verzeiht. Sogar das Publikum bezieht Schrott in dieser Rolle übrigens immer wieder aktiv mit ein; er zwinkert den im Parterre Sitzenden zu, lässt den Blick über die Ränge schweifen und wickelt sämtliche Anwesende sofort um den Finger. Dieser Don Giovanni fände im Saal wohl problemlos einige, die nur allzu gerne im von Leporello geführten „Catalogo” vorkommen würden. In der Rolle des Sidekicks seines charismatischen Chefs darf Alex Esposito sein komödiantisches Talent von der ersten Sekunde an ausspielen, man nimmt ihm den latent frustrierten und schelmischen Diener vollkommen ab. Sein Bariton strömt souverän durch die Partie, die Stimme ist ideal fokussiert und trägt noch bis in den letzten Winkel des Hauses. Herrlich außerdem, wie er in der Täuschung im zweiten Akt kräftigere Farben und virilere Schattierungen in die Stimme mischt, um seine Maskerade als Don Giovanni glaubhaft zu machen.
Neben zwei Paradebeispielen an Bühnenpräsenz fällt es naturgemäß schwer, ohne eine in Proben erarbeitete Personenregie nicht völlig zu verblassen; am besten bewältigte Olga Bezsmertna dieses Kunststück. Ihre Donna Elvira strotzte vor Feuer und stöckelte energisch in ihre Auftrittsarie, die sie mit ihrem strahlenden Timbre und präzise gesetzten Attacken interpretierte. Sie schaffte den Spagat zwischen enttäuschter Furie und ehrlich Liebender stimmlich und darstellerisch ideal; wirklich schade war, dass sie in der gespielten Fassung Donna Elviras zweite Arie nicht singen durfte, denn die hätte ich ausgesprochen gerne gehört!