„Erinnerung“ tauften die Bamberger Symphoniker ihr aktuelles Saisonmotto, und Erinnerung passte genau zum symphonischen Schwerpunkt des Abends, denn Anton Bruckners Todestag jährte sich an diesem 11. Oktober zum 123. Mal. Keine der weihevollen Moll-Symphonien stand da auf dem Programm, sondern – durchaus freudig bewegt – seine „Keckste“, wie sie Bruckner einmal genannt hatte. Und Grund zu Freude hatte das Orchester genauso wie die dankbaren Zuhörer im weiten Rund des Joseph-Keilberth-Saals, da zum dritten Mal in diesem Jahr Herbert Blomstedt, Ehrendirigent des Orchesters, mit seinen unglaublichen 92 Jahren so unscheinbar im Auftritt und scheinbar mühelos in Erinnerung brachte, dass im geradlinig-einfachen Zugang zur Musik diese die größte Ausstrahlungskraft gewinnt.
Es lagen Noten auf seinem Pult, aber sie sind nicht aufgeschlagen, und Blomstedt leitete so den ganzen Konzertabend, ohne Taktstab, ganz aus ökonomischen Bewegungsimpulsen von Rumpf und Armen, weichen Modellierungen in den Handbewegungen, im sinnendem Lächeln und mit oft weit geöffneten Armen die um ihn gescharten Orchestergruppen liebevoll umfassend. Wer das Glück und Privileg hatte, ihn in den vergangenen Jahren immer wieder musizieren zu sehen, konnte erleben, wie er augenscheinlich jedes Mal um ein Jahr jünger auftrat!
Nach Berwald, Berlioz und Beethoven nun mit Bruckner ein vierter „B“-Titan, zum frohen Auftakt jedoch Joseph Haydns D-Dur-Symphonie Nr. 104, deren kühner Satzbau dem Londoner Publikum um 1795 durchaus auch titanenhaft vorgekommen sein mag. Im Adagio-Aufbruch des Kopfsatzes ließ Blomstedt mit ruhiger Kraft den einleitenden Blechbläserruf erklingen, ihn fast den Impuls Brucknerscher Signalmotive vorausnehmen. Bedächtig führten die Streicher den Puls in ruhigem Schritt weiter, im Dialog zwischen ersten Geigen und den übrigen Streichern, als atemberaubenden Wechsel von Aufbegehren und Ergebung. Mozartschen Esprit atmete dann das Hauptthema, dessen Motivik in der Folge immer wieder wie in neuem Licht vom wunderbar transparent spielenden Orchester vorgeführt wurden: auf etwa 45 Musiker reduziert wechselten kammermusikalisch-durchhörbare Abschnitte mit federndem Tutti-Forte. Zart dargestellt wurde die schlichte Melodie des Andante, in dessen Verarbeitung die Harmonik in beinahe romantische Ausdrucksbereiche eines Schubert vordringt und dunkle Klänge, von Einhalten unterbrochen, mit lichtem Aufatmen wechseln. Nach humorvollem Menuett ein geistvolles Allegro, das den Sonatensatz nachliefert, der im Kopfsatz von Haydn ausgelassen wurde: herrlich spielerisch und witzig, geradezu schmunzelnd ließ Blomstedt das Orchester aus dieser letzten Symphonie von Haydn bis zum jubilierenden Schluss erzählen.