Jacques Offenbach hat die Uraufführung seiner letzten Oper Hoffmanns Erzählungen nicht mehr erlebt. Er hinterließ eine unfertige Partitur, die 1881, ein Jahr nach seinem Tod, von Ernst Giraud vollendet und an der Pariser Opéra Comique uraufgeführt wurde. Sie ist eine Huldigung Offenbachs an den von ihm hochverehrten deutschen Dichter, Maler und Musiker E.T.A. Hoffmann, der in seinen Geschichten unheimlichen Gestalten und übernatürlichen Kräften einen fantastischen Raum gibt. Drei dieser Erzählungen sind in Offenbachs Oper zu den unglücklichen Liebesabenteuern des vom Leben arg gebeutelten Künstlers Hoffmann verschmolzen: zum poesievollen und psychologisch geschickt zeichnenden Textbuch von Jules Barbier und Michel Carré hat Offenbach eine lyrische und sinnliche ebenso wie dramatisch ernste Musik komponiert. Die Mischung von opernhafter Attitüde in den amourösen Szenen und witzig sarkastischer Gestaltung in der Rahmenhandlung brachte dem Werk schließlich weltweiten Bühnenerfolg.
Am Münchner Gärtnerplatztheater liegt die letzte Inszenierung des Hoffmann, noch durch den Intendanten Hellmuth Matiasek, mehr als zwanzig Jahre zurück. Die bilderreiche, opulent ausgestattete wie tänzerisch schwungvolle Umsetzung, die durchaus Operettentöne herausklingen ließ, gefiel mir damals prächtig.
Im Sinne konzeptioneller Einheit war nun der italienische Opernregisseur Stefano Poda für Regie und Bühnenbild, Kostüme, Lichteffekte und choreographische Gestaltung dieser Neuinszenierung verantwortlich. Die Weitschweifigkeit von Hoffmanns Erzählung konzentriert er in einen weißen Bühnenraum mit grob gespachtelten Wänden, dessen einzige Möblierung in einem guten Dutzend hoher Vitrinen besteht, die museal Fundstücke aus Hoffmanns Erlebnissen aufnehmen, die aber auch beziehungsreich Figuren ausstellen, die seinen Weg kreuzen. Aufschriften an den Seitenwänden erinnern an Hoffmanns zahlreiche Kompositionen oder berühmte Sängerinnen von Kirsten Flagstad bis Jessye Norman. Kaltes Licht im Innern der Vitrinen lässt da ebenso an Stimmungen alter Pathologien denken. In lange Roben und Mäntel gewandet, meist in Schwarz oder Weiß gehalten, bringt das Ensemble eleganten Chic auf den spiegelglatten Boden; bizarrer Kopfschmuck, metallische Motorradhelme, Pumps und Netzkleider setzen edle Akzente. Dagegen wirkt die gelegentlich aus dem Boden emporgefahrene niedrige Komponierstube des Hoffmann in ihrer fahlen Leere wenig inspirierend, da richten auch zwei Weinflaschen, zahllose herumflatternde Textblätter oder die anachronistische Schreibmaschine des Poeten wenig aus. Der Charme des Treibens in Lutters belebter Schänke, die südländische Nonchalance von sonnendurchwärmt venezianischem Flair in Giuliettas Etablissement kommen im Einheitsbühnenbild nicht vor.
Dass dieses Mobilar immer wieder von Statisten verschoben und neu angeordnet wird, erlaubt zwar das Entziffern der Aufschriften, sorgt aber für durchgehende Unruhe, die durch den Einsatz der Drehbühne, auf der die Akteure balancieren müssen, noch erweitert wird. So wandeln auch Chorsänger und Statisten, wie Besucher einer Ausstellung, oft wie in Trance zwischen den Exponaten umher.