Es hätte ein ganz besonderes Konzerterlebnis werden sollen: Im 25. Todesjahr von Olivier essiaen (1908 – 1992) wollte Yannick Nézet-Séguin in seinem letzten Jahr beim Philharmonischen Orchester Rotterdam zum ersten Mal Turangalîla von Messiaen dirigieren. Turangalîla ist ein zusammengesetztes Wort aus dem Sanskrit und beschreibt sowohl das Vergehen von Zeit, Bewegung und Rhythmus als auch das Spiel des Erschaffens und somit Leben und Tod. Jedoch machte eine Handgelenksverletzung den Verantwortlichen vor einer Woche einen Strich durch die Rechnung und stellte sie gleichzeitig vor ein großes Problem – schnell musste Ersatz gefunden werden.
Das ist üblicherweise die Chance für ein junges Nachwuchstalent. In diesem Fall aber setzte man auf Nummer sicher und engagierte Olari Elts. Der gebürtige Lette kannte zwar das Stück von Messiaen, hatte aber Rameau noch nicht dirigiert. Deswegen wurde der ursprünglich geplante erste Teil des Konzertprogramms ersatzlos gestrichen, was den Vorteil hatte, dass sich das Publikum ganz auf die 10-sätzige Mammut-Symphonie konzentrieren konnte. Gleichzeitig aber wurde es ganz ohne Vorbereitung auf eine komplizierte Hör-Reise geschickt.
Auch dem Orchester fehlte ganz offensichtlich eine Ouvertüre zum Einspielen, wobei aber noch zwei andere Faktoren eine Rolle spielten: Zum einen lag die letzte Aufführung dieses Meilensteins der Symphonik des 20. Jahrhunderts beinah 25 Jahre zurück. Zum anderen war ein Probentag ausgefallen.
Das Konzert gelang unter diesen Umständen fast überraschend gut. Der Klang des Orchesters und der Solisten war ausgeglichen, die dynamische Bandbreite der über hundert Musiker war erstaunlich und keineswegs einseitig. Die Klavierkadenzen von Cédric Tiberghien waren virtuos, während der von Valérie Hartmann-Claverie gespielte Ondes Martenot-Part sehr sorgfältig in den Gesamtklang eingebettet war. Die Ondes Martenot ist eine der ersten elektronischen Instrumente überhaupt und ähnelt dem Klang einer Singenden Säge. (Eine gewöhnliche Säge aus Stahl, ein Fuchsschwanz, der mit einem Geigenbogen gestrichen wird.) Sie kann auf einer Tastatur aber auch auf einer Kontaktbahn bespielt werden und ist dadurch zu außergewöhnlich langen Glissandi im Stande. Messiaen setzt sie solistisch ein, lässt sie im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten aber auch himmlische, surrealistische Klangfarben erzeugen. Ähnlich verfährt er mit Klaviaturglockenspiel und Celesta, die hinter dem Flügel aufgestellt oft Klavierklänge verdoppeln und diese so leicht verfremden.