Sieht man den Namen Gerhard Schmidt-Gaden auf dem Programm, ist zu erwarten, dass der Abend ganz dem Chorgesang gewidmet sein würde. Der 78-Jährige gründete den Tölzer Knabenchor vor bald 60 Jahren. Dieser hat es im Laufe der Jahrzehnte mit namhaften Plattenaufnahmen und großen Konzertreisen zu Weltruhm gebracht, sodass der Spiritus Rector an diesem Sonntag gewissermaßen sein Erbe dirigierte. Dies tat er auch äußerst engagiert und mit einer Energie, die man dem Mann, der am Arm der Sopranistin auf und von der Bühne geführt wurde, gar nicht zugetraut hätte. Er war auch der Einzige, der fast das ganze Konzert über stand. Ebenso war das Tempo, das er vorgab, durchgehend zügig und energiegeladen. Bei diesem Messias, das war früh klar, stand die freudige Erwartung auf das zweite Kommen des Erlösers im Vordergrund.
Das Orchester allerdings musste so gut wie ohne den Dirigenten auskommen. Wenn der Chor nicht sang, dirigierte er es dezent, sobald aber die Tölzer an der Reihe waren, ignorierte er die Orchestereinsätze weitgehend und widmete sich gänzlich dem Chor. Dass der Abend musikalisch allerdings reibungsfrei verlief, zeugt von der großen Professionalität des Barockorchesters der Residenz. Die Musiker blieben im Tempo, begleiteten Chor und Solisten, ohne sie zu übertönen, und spielten ihre Einsätze präzise. Der Klang war nun einmal der eines Barockorchesters, etwas gedämpft, aber dafür weicher als der von modernen Orchestern.
Der Chor verhielt sich erwartungsgemäß ebenfalls sehr professionell. Die langen Passagen über, in denen sie nicht singen mussten, saßen die Sänger geduldig und ruhig auf den dafür vorgesehenen Bänken. Das war besonders bei den Jüngsten, die wahrscheinlich keine zehn Jahre alt sind, äußerst beeindruckend. Für kleine solistische Auszüge, zum Beispiel zum Beginn des Stückes „And he shall purify“, wechselten sich die jungen Altisten und Sopranisten ab, während Tenor und Bass immer von den gleichen beiden Chorsängern sicher intoniert wurden. Alle diese kurzen Solopartien waren über das Orchester hinweg gut hörbar sowie sehr schön und stimmig gesungen. Insgesamt gab der Chor dem Abend ein schnelleres Tempo und, wie nicht anders zu erwarten, viel jugendliche Kraft. Mit seiner hohen Intonation machte der Chor den Abend außerdem um einiges heiterer. Man konnte sehen, wie das Publikum bei „For unto us a child is born“ sogar leicht mitwippte. Einzig das berühmte „Hallelujah am Ende des zweiten Teils hätte noch ein wenig euphorischer sein können.