Bachs Cembalowerke auf dem modernen Flügel interessieren mich im Normalfall kaum, denn im Vergleich zum Original geht hier sehr viel verloren: die reiche Klangrede und Artikulation des Cembalos, die stimmliche Balance, der Glanz des Cembaloklangs, meist auch die Durchhörbarkeit und Klarheit. Trotzdem hat mich diese Aufführung gereizt: hier wurde nicht „nur“ Bach gespielt, sondern dessen Goldberg-Variationen in der Bearbeitung für zwei Klaviere von Josef Rheinberger, editiert von Max Reger.
Es handelt sich also nicht direkt um Bachs Musik, sondern um eine spätromantische Bearbeitung, eine Umsetzung, die zwar Bachs Noten weitgehend beibehält, sie aber mit reichlich Beigaben wie Harmonisierungen, zusätzlichen Stimmen und dergleichen versieht. Damit erhebt sie für sich nicht den Anspruch, Bach zu repräsentieren, sondern kann als eigenständiges Werk wieder Authentizität für sich beanspruchen. In diesem Sinne ist das auch für Puristen wie mich eine legitime Umsetzung auf modernes Instrumentarium.
Das Konzert in der Semperaula der ETH Zürich wurde bestritten vom Klavierduo TwoPianists (Nina Schumann und Luis Magelhães). Der Saal stützte den Klang der beiden Flügel ideal, zumal mit Rheinbergers verdichteter, romantischer Textur. Hier war nicht akustische Klarheit und Transparenz gefragt, sondern ein abgerundetes, volles, harmonisches Klangbild, und ein solches konnte man in diesem Konzert wahrlich genießen!
Zum einzigen Werk des Abends: die Variationen sind ein Kompendium gängiger Satzformen, über die französische Ouvertüre zu Tanzsätzen, Kanons, Fughetten, langsamen Formen sowie virtuosen Sätzen, die das ganze Spektrum des Tastenspiels abdecken. Bach hat die Variationen zudem ganz bewusst so ausgelegt, dass sich von den spielerischen ersten Sätzen eine Intensivierung und eine Steigerung ergibt. Soweit ohne Partitur zu erkennen war, hat Rheinberger Bachs Notentext praktisch vollständig und weitgehend unverändert integriert. Eine Komponente der Adaption besteht in der Verteilung des Textes auf die beiden Instrumente; so konnten sich die Pianisten beispielsweise in Variation 5 das Übergreifen der Hände sparen, und Segmente, in denen Bach für zwei Klaviaturen geschrieben hat, lassen sich an zwei Instrumenten ungezwungen und ohne Verschränkung der Finger ausführen.
TwoPianists spielte die Aria mit 30 Variationen praktisch ganz ohne Unterbrechung; es wurden durchweg alle Wiederholungen gespielt. Die ersten Takte waren noch ganz Bachs Originaltext, von einem Klavier vorgetragen, aber im zweiten Teil der Aria schleicht sich fast unbemerkt und diskret zusätzliche Harmonisierung ein, wobei die harmonische Grundstruktur unverändert gelassen wird. Bei den Verzierungen bleibt die Bearbeitung (und Interpretation) relativ nahe beim Original: selten erklingen zusätzliche Ornamente, gelegentlich werden welche weggelassen. Mir gefiel, dass übertriebenes, romantisches Rubato vermieden wurde; die moderate Agogik der Interpretation ist für mich durchaus im Sinne Bachs.