Bereits das Programmheft zum Konzert kündete von den eigenständigen Musikerpersönlichkeiten des dänisch-israelischen Geigers Nikolaj Znaider und des polnisch-ungarischen Pianisten Piotr Anderszewski. Vielleicht aus gerade diesem Selbstverständnis als Solokünstler heraus ist eine bereits lange Jahre währende, äußerst fruchtbare Duopartnerschaft der beiden Musiker entstanden, die sie gegenwärtig auf eine große Tour durch die europäischen Musikhäuser führt. Nach den Musikzentren Mailand, Salzburg und Wien war am vergangenen Montag der Kleine Saal der Hamburger Elbphilharmonie die nächste Station auf der Tourneekarte.
Ähnlich wie dessen „großer Bruder“, der Große Saal, hat auch dieser eine unmittelbare, keinen Fehler verzeihende Akustik zu bieten. Das hat für den Musiker den positiven Effekt, das jede noch so leise Nuance zu hören ist und insofern eine enorme dynamische Bandbreite möglich wird. Der Nachteil ist natürlich, dass eine solche Durchsichtigkeit jede noch so kleine Ungenauigkeit offenbart und um ein Vielfaches deutlicher aufzeigt als ein Saal mit weicherer und verschwimmender Akustik. Das kann man bewerten wie man will; Anderszewski und Znaider nahmen es jedenfalls als willkommene Herausforderung.
Auf dem Programm standen neben klassischem Repertoire von Beethoven und Schumann auch die hochkonzentrierten Vier Stücke für Violine und Klavier von Anton Webern sowie Leoš Janáčeks selten gespielte Violinsonate. Letztere eröffnete das Konzert und wartete sogleich mit großem Facettenreichtum auf: Im ersten Satz mischen sich osteuropäisch gefärbte Klänge mit nahezu dodekaphon anmutenden Sequenzen, die sich lustvoll mit emotionalen Melodielinien abwechseln. Nikolaj Znaider legte sich von den ersten monologischen Takten der Geige an ins Zeug und zog das Publikum mit seiner kraftvollen, leidenschaftlichen Interpretation in seinen Bann. Immer wieder übernimmt hier jedoch auch das Klavier die Regie und mischt sich mit energischen Zwischentönen in das Geschehen ein.
Piotr Anderszewski, der ein absoluter Meister seines Instruments ist und jeden Affekt technisch einwandfrei zu realisieren vermag, erwies sich hier als idealer Partner des so vortrefflich spielenden Znaider: Er bestach in seiner Interpretation durch gefühlvolle Begleitung ebenso wie durch seine angenehme Präsenz in den Passagen, in denen das Klavier in den Vordergrund tritt. Durchweg atemberaubend gestalteten beide den lyrischen zweiten Satz, der einen melancholischen Grundcharakter besitzt und wie eine Reminiszenz an glücklichere Zeiten zu gemahnen scheint, während sie den dritten Satz energetisch und als klaren Kontrast musizierten. In seiner Komposition ahmt Janáček womöglich einen der derben Bauerntänze seiner Heimat nach. Resignation prägt das schließende Adagio, das im Nichts zu verklingen scheint und in gespannter Intensität ausgekostet wurde.
Diese hochgespannte Konzentration sollten sich Znaider und Anderszewski auch für Weberns Vier Stücke bewahren. Znaider bewies hier seine fantastische Beherrschung aller Facetten der Geige und war Weberns detaillierten und nahezu über jeder Note zu findenden Spielanweisungen mühelos gewachsen. Attacca ging es mit Ludwig van Beethovens beschwingter und vor blumiger Idylle nur so strotzender Frühlingssonate weiter. Hier ließ Znaider seine Geige mit mal zarten, mal kraftvollen Klängen strahlen, musizierte mit Genuss die lyrisch-schwingenden Bögen. Anderszewski erinnerte mit seinem an den richtigen Stellen prominenten, dabei allerdings erfreulicherweise nie zu forcierenden Klavierspiel daran, dass Beethoven selbst seine Sonate ursprünglich nicht als Sonate für Violine und Klavier, sondern eben andersherum als Sonate für Klavier und Violine überschrieb – und somit der Tradition der Gattung entsprechend das Klavier in mindestens gleichberechtigter Rolle zur solistischen Geige verstand. Mit regem Blick- und Gestenwechsel verständigten sich die beiden Musiker und machten gegenseitig immer wieder Platz für interpretatorische Freiheiten des Einzelnen.