Das Muziekgebouw aan’t IJ, der moderne Amsterdamer Konzertsaal direkt am Wasser, hat für seine Donnerstagsserie mit Werken zeitgenössischer Komponisten auch ein Programm des letztjährigen November Music Festivals übernommen. Richard Rijnvos Auftragskomposition wurde damals wie heute an eine taufrische Komposition von Enno Poppe gekoppelt, welches dieser für das Ensemble Musikfabrik geschrieben hatte und auch dirigierte.
Rijnvos, der in Spanien lebt, ist stark von Morton Feldman beeinflusst. Der 1987 verstorbene Amerikaner war auf der Suche nach der Essenz, dem Wesen der Musik. In diesem Sinne schreibt auch Rijnvos abstrakte Musik: „Für mich bedeutet Komponieren nicht, dass ich die Straße entlanglaufe und plötzlich eine schöne musikalische Inspiration bekomme oder eine schöne Melodie hinter dem Klavier entdecke. Anstatt den Noten einen außermusikalischen Willen aufzuzwingen, denke ich mir Strukturen aus, die einen eigenen Willen haben.”
Mit dieser Grundhaltung arbeitet Rijnvos seit Jahren an verschiedenen Werkzyklen. In seinem Grand Atlas für großes Orchester bezieht Rijnvos seine Kompositionsstruktur zum Beispiel aus jeweils einem der sieben Weltteilen. Der fünfte Teil, Afrique, wurde im letzten Jahr ebenfalls bei November Music aus der Taufe gehoben, Teil 6, Amérique du Sud wird in drei Wochen in Amsterdam im Rahmen der NTR-Samstagsmatinee uraufgeführt.
Mit Riflesso sull'incontro setzt Rijnvos eine andere Reihe, die der sogenannten „Companion pieces” fort. In diesen Werken übernimmt Rijnvos Strukturmerkmale einer Komposition des 20. Jahrhunderts. Im vorliegenden Fall nimmt er das legendäre Octandre (1923) von Edgard Varèse unter die Lupe und übernimmt dessen Instrumentierung (sieben Bläser und Kontrabass) und einige kurze Zitate. Zudem bedient er sich einer alten Technik, des soggetto cavato. Damit entwirft er aus dem vollständigen Namen Vareses eine Melodie. Die acht Noten E-D-G-A-[r]-D-[v]-A-[r]-E-S-[e] bilden auch Rijnvos wichtigste Kompositionsstruktur, ein Schachbrett voller Akkorde. Diese 64 harmonischen Verbindungen bestimmen nacheinander das obertonreich-flimmernde Stück.
Der Klang des Ensemble Musikfabrik ist transparent; die nacheinander rhythmisch gleichmäßig aufgebauten Akkorde erzeugen eine Art Trance, nur unterbrochen von kurzen kunstvollen Bläsersoli. Varèses Komposition leuchtet ab und zu sternschnuppenartig daraus hervor. Nach einiger Zeit werden die Bläseraktionen jedoch vorhersagbar. Erst in den letzten Minuten verändert sich die Atmosphäre durch einen unerwarteten spielerischen Schlussteil.