Mit fünfzehn Jahren war Sergey Khachatryan der jüngste Teilnehmer des Sibelius-Wettbewerbs, den er auch gleich für sich entscheiden konnte. Darüber hinaus zeichnete ihn die Jury mit dem Sonderpreis für die beste Interpretation des Violinkonzerts von Jean Sibelius aus. Jetzt, fünfzehn Jahre später, kommt der Armenier nach München, um zusammen mit den Münchner Philharmonikern das Konzert im Sibelius-Jahr wieder einmal aufzuführen.
Die Philharmoniker unter der Leitung von Rafael Payare eröffneten das Konzert mit Beethovens dritter Leonore-Ouvertüre. Die Einleitung zur zweiten Fassung von Beethovens Fidelio-Vorläufer kann wohl als Kreuzung zwischen Sinfonik und Drama gewertet werden. Beethoven, der zwar mit einigen Themen aus der nachfolgenden Oper und einer Ferntrompete dramatische Elemente einfügte, wollte sich dennoch nicht von der Sonatenhauptsatzform trennen.
Payare grenzte die verschiedenen Themen dynamisch ab, um die dramatische Wirkung zu betonen. So wirkte die Ouvertüre mal feierlich, mal lyrisch verträumt, und deutete auf das folgende Programm voraus. Bereits hier bewiesen die Philharmoniker ihre dynamische Flexibilität und die stimmige Balance zwischen den unterschiedlichen Registern, die gerade an den fragilen Piano-Stellen perfekt miteinander interagierten.
Auch Jean Sibelius brauchte einen zweiten Anlauf für sein einziges Violinkonzert, das in seiner ersten Fassung keinen Erfolg hatte, nach einiger instrumentaler Ausdünnung und Kürzung heute aber zu den beliebtesten Violinkonzerten des 20. Jahrhunderts zählt. Für den Solisten ist das Werk neben den virtuosen Passagen auch hinsichtlich der Atmosphäre äußerst anspruchsvoll. Sind die beiden ersten Sätze sehr dunkel und im elegischen Stile Sibelius’ gehalten, erinnert der dritte Satz eher an Ravels Tzigane oder an Brahms Ungarische Tänze - Sibelius selbst bezeichnete das Finale als danse macabre.
Khachatryan gelang dieser Spagat perfekt. Vor allem mit warmer Klangfarbe in der tiefen Lage und präziser Intonation erschuf er eine „nordische" Stimmung, die die Philharmoniker in ihren wuchtigen Soloparts übernahmen. Mit Leichtigkeit schien dem 30-Jährigen nach brillanten Spitzentönen in der ausgedehnten, zweiten Kadenz des ersten Satzes dann der Wechsel in den zigeunerhaften Charakter im finalen Satz, der von einem synkopischen Thema des Solisten eingeleitet wird und zwischen tänzerisch und stampfend wechselt. Hier unterstrich Dirigent Payare, dass er das Orchester und den Solisten genau auf einander abgestimmt hatte: Sibelius wollte keine sich überschneidenden Themen, sondern diese großflächig zwischen dem Orchester und dem Solisten trennen, der das Konzert an diesem Abend mit virtuosen Akkordbrechungen und Doppelgriffen des letzten Satzes meisterhaft beendete.