Das eingestaubte Image der Orgel hat mit Cameron Carpenter endgültig ausgedient. Egal welche Epoche oder welcher Komponist, es gibt scheinbar keine Musik, die der Amerikaner nicht auf sein Instrument übertragen kann. In der Münchner Philharmonie legte Carpenter kurz vor Weihnachten noch einen Stopp ein und interpretierte gemeinsam mit den Bamberger Symphonikern die Variationen über ein Thema von Paganini von Sergei Rachmaninow – der eigenen International Touring Organ. Dass diese Stradivari unter den Orgeln nicht frei von Allüren ist, bekam das Publikum leidvoll zu spüren. Erst mit halbstündiger Verspätung konnte das Konzert starten, da die Orgel streikte. Das Warten, jedoch lohnte sich.
Mit seiner Transkription der Variationen öffnete Carpenter eine spannende Perspektive auf das Showstück, das Rachmaninow 1934 ursprünglich für Klavier und Orchester konzipierte. Die pianistischen Glanzmomente verwandelten sich auf der Orgel zu einer Mischung aus schierer Virtuosität und spektakulären Klangmischungen, die die Interpretation nachdrücklich wirken ließen. Egal ob auf den Manualen mit den Händen oder auf den Pedalen mit den Füßen – Carpenter nutzte die Möglichkeiten seiner Orgel, verlagerte Oktavläufe, die am Klavier prächtig wirken, effektvoll in den Bassbereich seiner Orgel oder ließ Liegetöne anschwellen. Ganz nah fühlte man sich da dem höllischen Spiel, das die Zeitgenossen dem Geiger Paganini nachsagten, der sich gar mit dem Teufel eingelassen haben soll, um so gut spielen zu können. Es ist kein Zufall, dass der Dies Irae-Hymnus in den Variationen noch stärker als in anderen Werken Rachmaninows hervortritt. Auch die Bamberger unter der Leitung ihres Ehrendirigenten Christoph Eschenbach fügten sich in das Klangspektakel hervorragend ein. Frei von Sentimentalität agierten die Symphoniker sehr beweglich, frisch und rhythmisch akzentuiert.
Die volle Kraft seiner Orgel entfaltete Carpenter schließlich in drei Zugaben von Wagner bis zum jazzigen Weihnachtsschlager Have Yourself a Merry Little Christmas. Schließlich fragt man sich nur noch, ob es irgendetwas gibt, dass der Amerikaner an seinem Instrument nicht kann.