„1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“: gerade in Köln wurde im Jahr 321 erstmals eine jüdische Gemeinde erwähnt. Anlässlich dieses Festjahres fand ein Sonderkonzert des Gürzenich-Orchesters statt, dessen Programm das Thema jüdischen Lebens in Deutschland auf vielfältige Weise umkreiste. Die Programmfolge hatte Lahav Shani, in Tel Aviv geborener Dirigent und gern gesehener Gast beim Orchester, klug zusammengestellt. In Deutschland geborene Komponisten mit jüdischen Wurzeln, deren Lebenswege in den vergangenen zwei Jahrhunderten ganz unterschiedliche Richtungen aufwiesen: Felix Mendelssohn Bartholdy, Kurt Weill und Tzvi Avni, der 1927 in Saarbrücken geboren wurde, mit seinen Eltern als Achtjähriger aber nach Haifa emigrieren musste.
Sein Prayer ist eine wunderbar dichte, leicht melancholische Streicherelegie, eines seiner ersten Orchesterwerke, 1961 entstanden, von dem Avni selbst einmal sagte, dass Samuel Barbers bekanntes Adagio ihn inspiriert habe. Ein bedächtiges Fugenthema stimmten die Bratschen an, Celli und Violinen folgten, bis eine Klimax in einen erregten Dialog der Instrumentalgruppen führte. Doch Eintracht und Harmonie kehren zurück, wunderbar schimmernd zelebrierten die Gürzenich-Streicher den Epilog dieses anrührenden Gebets.
Die Familie des Moses Mendelssohn war im 19. Jahrhundert tief verwurzelt in Deutschland, hatte mit Bankiers, Gelehrten und Künstlern in Hamburg und Berlin Einfluss und Reputation. Felix Mendelssohn Bartholdy war christlich erzogen worden, konvertierte als Jugendlicher zum Protestantismus. Sein Violinkonzert e-moll führte in eine völlig andere Welt, mitten in der Romantik, hat von Anfang an weltweiten Erfolg. Schon dass im Allegro die Solovioline ohne Umschweife mit dem energiegeladenen Hauptthema auftrumpft, prägt sich ein. Arabella Steinbacher war die großartige Solistin des Abends, präsentierte die leidenschaftliche Unruhe des Hauptthemas ebenso klar wie die lyrischen Momente schlichter Harmonie und edler Wärme, die für Mendelssohn so typisch sind. Mit dem Gürzenich-Orchester gelang ihr hier eine vollkommene Balance zwischen makellosem geigerischem Gesang und virtuos nuancenreicher Artikulation; Shani forderte in den Tutti eine ebenso atmosphärische wie tiefenscharfe Darstellung des Orchestersatzes. Bewundernswert Steinbachers Kadenz, die bereits am Ende der Durchführung erklingt: was für zarte, beinahe überirdische hohe Töne, daneben elektrisierende Doppelgriffe flinker Finger.
Auch im Andante überzeugte Steinbachers ungemein körperreicher Ton, oft wie über irdischen Dingen schwebend. Im Finale trafen Elfenzauber und ritterliche Festlichkeit aufeinander: facettenreich jubilierend und voll duftiger gesanglicher Visionen, als wenn die Geister des Sommernachtstraums ihr Wesen trieben.