Es ist ganz eindeutig eine Aufführung unter Coronabedigungen: Das Staatsorchester ist stark ausgedünnt, die Musiker sitzen großzügig verteilt auf der Hauptbühne, das Bühnengeschehen beschränkt sich auf den schmalen Streifen der Vorderbühne. „Halbszenisch“ nennt die Bayerische Staatsoper denn auch ihre Produktion, die nun als Livestream zu erleben ist, aber halbherzig ist sie deswegen keineswegs, im Gegenteil. Eine vornehme Hotelhalle kann man natürlich mit großem Bühnenbild und dem Chor als Gästeschar inszenieren, dann hätte man ein Ambiente, in dem man auch den ersten Akt von La traviata spielen könnte. In Tobias Ribitzkis Inszenierung senken sich lediglich einige Kronleuchter vom Bühnenhimmel herab, links vorn steht ein Sessel mit Tisch und Teekanne, links ein Cocktailtischchen mit zwei Stühlen. Aber mehr braucht es auch nicht, um den Eindruck von großer Welt zu evozieren. Theater soll Realität nicht nachahmen, sondern mit dem Zuschauer in der Fantasie erlebbar machen.
So verzichtet Ribitzki auch darauf, die Geschichte szenisch voll auszuspielen, auch hier begnügt er sich mit Andeutungen, aber stets den genau richtigen, die ausreichen, um den Eindruck der ganzen Geschichte zu erwecken, und viel Geschichte gibt es ja auch nicht zu erzählen: Prinz und Prinzessin sollen nach dem Willen der Eltern heiraten, wollen aber lieber ihrem Herzen folgen, reisen inkognito – und verlieben sich ineinander, wie es sich die Eltern gewünscht und wogegen sie sich innerlich gewehrt hatten. Das entbehrt nicht der Ironie, und so ist sie denn auch das Stilmittel, mit dem Ribitzki alles auf die Bühne bringt. Die Handlung vermittelt in knappen, aber genau gewählten Worten ein Erzähler, der auch noch das Bühnenbild anschaulich vermittelt, die Dialoge der Hauptfiguren übernimmt und in die Rollen des Hoteldirektors und des Königs schlüpft. Besser als der Schauspieler Max Hopp kann man das nicht mehr machen, der auch noch passabel singen kann und zudem die Texte selbst verfasst hat – mit einer Brillanz und Stilsicherheit sondergleichen. Da wird kaum eine Möglichkeit der Illusionsdurchbrechung ausgelassen. Die Rolle des Königs übernehme er wegen der knappen Kassen der Staatsoper. Er rekurriert auf Erkenntnisse, die „wir“ soeben dem Dialog haben entnehmen können. Wenn der Prinz auftritt, wird er ironisch mit „natürlich Tenor“ eingeführt, und der Eindruck, den er auf die Prinzessin hinterlassen habe, sei tiefer als die Spur ihrer Autoreifen im Waldweg.