Einen Tag nach dem hervorragenden Abend mit Werken von Ravel drehen Riccardo Chailly und das Lucerne Festival Orchestra das Rad der Zeit zurück ins 19. Jahrhundert, hin zu Bruckners Siebter Symphonie. Da diese nicht abendfüllend ist, kombinierte Chailly sie mit zwei frühen Ouvertüren von Wagner, den Bruckner beinahe abgöttisch als Vorbild verehrte. Für sich genommen, machte das Programm durchaus Sinn, obwohl die beiden Ouvertüren sich kaum mit der großen Form, den Urgewalten in Bruckners Symphonie messen können. Noch krasser fiel der Vergleich zu Ravels Raffinement und Farbenreichtum in den Werken vom Vorabend aus: wer beide Konzerte besucht hat, kann beim zweiten das Erlebnis des ersten nicht einfach ausblenden.
Bereits in seiner frühen und letztlich gescheiterten Oper Rienzi äußert sich Wagners Drang zum sprichwörtlich großen Wurf, wenn nicht gar zum Gigantismus. Dennoch bleibt seine musikalische Sprache in der Nähe von Rossini und Donizetti, selbst Mendelssohnsche Elemente sind anzutreffen. Es war nicht – oder in weit geringerem Maße – die Stunde der Solisten: hier wurde mit breiterem Pinsel gemalt. Dementsprechend war nicht das Zusammenspiel unterschiedlichster Kombinationen solistischer Instrumente gefragt, sondern die Homogenität, der Ausdruck ganzer Stimmgruppen, speziell der Blechbläser. Man mag bedauern, dass damit das Orchester nicht alle seine Stärken ausspielen konnte, dennoch leistete es in diesem Bereich ebenso Hervorragendes. Chailly ließ die Streicher bewusst weich und romantisch artikulieren, mit warmem Klang und reichlich Portamento in den langsamen Melodien, mit geballter, anfänglich gebändigter Kraft. Weit mehr als bei Ravel am Abend zuvor prägten die Streicher das Klangbild. Dies erklärt nicht nur die stärkere Mitarbeit des Konzertmeisters (Raphael Christ), es war erfrischend zu beobachten, wie alle Musiker, speziell die Violinisten (etliche Konzertmeister und Stimmführer unter ihnen!) die Aufführung motiviert und aktiv mitgestalteten. Chaillys Sinn für dramatische Entwicklung und große Formen führte das Orchester zu einer überzeugenden, geschlossenen Leistung. Einzig der allererste, sehr exponierte Einsatz der Holzbläser war intonationsmäßig leicht getrübt – ein einziges, kleines Manko, das im Gesamteindruck letztlich irrelevant blieb.