Man hätte beim schnellen Blick in das Programm fast meinen können, das eigentliche Konzert beginne erst nach der Pause, war doch werbeträchtig „Die Walküre mit Jonas Kaufmann“ als Titel auf der Website des Grafenegg-Festivals zu lesen. Weil aber der konzertant dargebrachte erste Aufzug von Richard Wagners Walküre mit knapp über einer Stunde Spieldauer selbst mit viel gutem Willen nicht als abendfüllendes Programm durchgeht, trat das Gstaad Festival Orchestra unter Jaap van Zweden an diesem hochsommerlichen Abend zunächst zu einem musikalischen Appetizer an.
Ein bisschen zusammengewürfelt, um auf mehr Spielzeit zu kommen, wirkte allerdings dieser erste Konzertteil – das Vorspiel zum ersten Aufzug der Meistersinger, Vorspiel und Liebestod aus dem Tristan sowie der Ritt der Walküren. Am meisten überzeugen konnte das Orchester, von Jaap van Zweden mit expressiver Gestik geleitet, dabei mit dem Tristan-Vorspiel, insbesondere die berückend raunenden Celli, die das innere Drängen spürbar machten, waren ein Genuss. Dem Liebestod fehlte es für meinen Geschmack hingegen an Elegie, kurz gesagt, es war ein schneller und wenig berührender Tod. Möglicherweise war es der Akustik des Wolkenturms bzw. meines Platzes geschuldet, dass die blitzsauber spielenden Blechbläser phasenweise auffällig laut und – im Gegensatz zum restlichen Orchester – vor allem sehr knallig ankamen; besonders beim Walkürenritt wähnte ich mich inmitten der Hufe einer fliehenden Pferdeherde, wobei ein bisschen weniger Lautstärke jedoch mehr gewesen wäre.
Nach der Pause ließ sich der Hausherr selbst, Rudolf Buchbinder, seinen Auftritt nicht nehmen und kündigte Jonas Kaufmann als indisponiert an. Nicht die Stimme, sondern ein gebrochener Zeh machten dem Tenor zu schaffen und so litt dieser Siegmund in Hundings Haus auch optisch gleich ein bisschen überzeugender. Gesanglich ließ Kaufmann sich nichts anmerken, die Stimme klang wieder deutlich weniger gaumig als noch vor einem Jahr und das charakteristische Timbre – baritonaler Tenor oder tenoraler Bariton? – bleibt schlicht und ergreifend Geschmackssache. Was mich persönlich jedoch wirklich stört, sind die anhaltenden Vokalverfärbungen; so wurde zum Beispiel aus dem Schwert „Nothung“ mal eben „Nothong“. Was jedoch die Stimmführung betrifft, seien es die sauberen Höhen oder die mühelosen Bögen, und auch die facettenreichen Klangfarben, daran gab es nichts auszusetzen. Wirklich beeindruckend gelangen dann auch die gefühlt ewigen, bruchlosen Wälserufe.