Es ist wieder so weit. Weihnachtsoratorium und Messias eifern in der Advents- und Festzeit um den Titel des meistgespielten Stückes – Ritual und Rekord eben. Zur festen Begebenheit gehört auch eine Aufführung von Bachs Kantatenwerk in der Kölner Philharmonie, stets mit wechselnden Interpreten. Diesmal erzählten Solisten sowie Choir und Orchestra of the Age of Enlightenment unter der Debüt-Leitung Masaaki Suzukis die Geschichte von Jesu Geburt im festtäglichen Kompendium.
In der Geballtheit fielen sie freilich gleich in der Eröffnung mit kräftig knallenden Pauken ein, die in ihrer feierlichen Freude fast martialisch anmuteten – ein bestaunter, wortwörtlicher Kracher. Suzuki ließ sie noch mit Crescendi auf der dritten Zählzeit zum Fortissimo auf der Eins akzentuieren und mit den fulminant strahlenden Clarinen goldenen Jubel-Pomp verbreiten. Dies tat zudem der Chor im „Jauchzet, frohlocket!“, der in seiner (von Suzuki favorisierten) Stärke von sechzehn Stimmen die vorgezeichneten Linien homogen, etwas weicher, in Taktbehandlung und luzider Verzierung eins zu eins nachempfand; schlank und zuverlässig sprudelnd von den engen Streichern und gut hörbar vom luftig-rieselnden Cembalo unterfüttert.
Mit durchaus voluminöser Kraft trumpfte passend der eingesprungene Countertenor Clint van der Linde auf, der mit seiner ausgesungenen, geschmückten Altrundung in der Höhe nicht nur eine glänzende Wahl war, sondern sich auch gegen die Begleitung durchsetzen konnte. Dies vermochte Ashley Riches, begonnen mit der freudig-kernigen Bassarie „Großer Herr, o starker König“, bis einschließlich Teil IV nicht so recht, obwohl er im ersten Rezitativ noch einen durchdringenden Eindruck machte. Zwar übertrug er diesen in seine expressiv-phrasierte Darstellung, bei der zu lyrisches Timbre eine gestraffte Markanz verhinderte, jedoch fand seine wunderbare und elegante Tiefe gegenüber David Blackadders triumphierender Trompete und dem dynamisch schon etwas reduzierten Orchester leider keine besonders verständliche Resonanz. Auf positivsten Resonanzboden fielen dagegen die äußerst flüssigen Choräle.
Versprühten zu Beginn andere die Akzente, stand nun in zweiter Kantate das Holz im Mittelpunkt, das in der leichtgängigen, rhythmisch fortschreitenden Sinfonia erdige Wärmestrahlen in den Saal leitete. Scheint Jeremy Budds Tenor in seiner hellen Schnörkellosigkeit für die Rolle des Erzählers geschaffen, überzeugte er paradoxerweise mehr in den Arieneinsätzen wie „Frohe Hirten, eilt, ach eilet“. Dort bewältigte er die Zweiunddreißigstelläufe unter Lisa Beznosiuks sanfter Verwirbelung mühelos und exakt. Schade, dass er diese Sicherheit nicht mit hörbarer Überzeugung kenntlich machte. Das bewies abermals van der Linde, dessen Stimme in herrlich zügigem „Schlafe, mein Liebster“ dynamisch noch besser getimt war und sich in Farbe und Klarheit perfekt zum blasenden Gehölz arrangierte. Mit der durch Orchesterrückgang ausbalancierten Chorpräsenz in „Ehre sei Gott“ hob Suzuki bei relativ langsamem Tempo in dynamischer Steigerung die kleinziselierte Festlichkeit hervor, die die Hirten im großen Bogen des Chorals in pastoral-gütlicher Gemächlichkeit verkündeten.