Kein Dirigent steht am Pult, kein Sänger auf der Bühne, nicht mal das Orchester hat sich eingestimmt; nur ein paar Balletttänzer stehen auf einer scheinbar undekorierten Bühne. Zu sehen ist ein behelfmäßiger Proberaum mit verspiegelten Wänden, in der das Ensemble zu den leichten Klängen des Repetitors seine Übungen durchexerziert. Das Publikum der Münchner Staatsoper hatte kaum den Zuschauerraum betreten, und schon war am vergangenen Samstag der erste positive Akzent mit der Wiederaufnahme von Richard Strauss' Ariadne auf Naxos gesetzt.
Es lässt sich sicherlich so manche Kritik über die Inszenierungen der Bayerischen Staatsoper äußern, doch Robert Carsens Ariadne ist wahrlich wunderbar. Ernst, wo das Thema es verlangt, und beschwingt humorvoll an den Stellen, an denen die Oper zur Düsterkeit neigt. Dabei setzt Carsens weniger auf ausgeklügelte Bühnenaufbauten als auf eine geschickte Lichtführung. Mal ist der Zuschauerraum hell erleuchtet und mal verschwindet er in der desolaten Dunkelheit von Naxos. Die Strauss-Oper hat, so viel sei zur Handlung gesagt, schließlich die Aufführung einer ebensolchen Oper zum Thema. Was also läge ferner als die volle Wirkung des imposanten Münchner Hauses selbst ausspielen? Nicht trotz, sondern wegen des spärlichen Einsatzes von Requisiten bleibt die Inszenierung durchweg aussagekräftig und schafft es, insbesondere die gesangliche Leistung in den Vordergrund zu rücken.
Am Pult steht, man möchte fast sagen wie immer, der einsatzstarke Generalmusikdirektor Kirill Petrenko. Dieser hatte nur wenige Tage zuvor mit der Ariadne ein konzertantes Gastspiel in Paris gegeben. Abweichende Besetzung, andere Akustik und eine neue Aufstellung des Ensembles erklären in der Summe vielleicht, warum das Orchester zum Auftakt der zweiteiligen Oper die Sangesleistung stellenweise leider übertönte. Auch schienen die Streicher zu diesem Zeitpunkt nicht ganz so eingespielt, wie man das von Petrenko sonst gewohnt ist.
Doch spätestens zum Vorspiel des zweiten Teils hatten Dirigent und die 34 Mitglieder des Staatsorchesters wieder zu alter Form zurückgefunden. Unglaublich zerbrechlich und feinsinnig, ich möchte fast sagen herzzerreißend, aber an den entscheidenen Stellen energisch, erklang Strauss bewegende Ouvertüre. Am 13. Oktober, kaum eine Woche zuvor, hatte Petrenko seinen Vertrag mit der Bayerischen Staatsoper bis August 2021 verlängert. Mit wie viel Herzblut sich der russischstämmige Dirigent den Münchnern verbunden fühlt, hörte man an diesem Abend mit jedem Ton der Partitur.