Mit einem breitgefächerten Repertoire und einem straffen Tourneeplan, der sie an Dutzende Spielorte auf zahlreichen Kontinenten führt, ist die Akademie für Alte Musik Berlin eines der gefragtesten Barock- und Alte Musik-Ensembles der Welt. Ihr Konzertmeister Bernhard Forck erzählt uns mehr.
Bachtrack: Für die Akademie steht eine große Tournee durch die Vereinigten Staaten an, von Küste zu Küste und quer durch die Mitte. Verraten Sie uns etwas über die Orte, die Sie besuchen, und über das amerikanische Publikum.
BF: Meine letzte Amerikareise liegt lange zurück und führte mich direkt nach dem 11. September 2001 nach Berkeley, wo unsere Tour dieses Jahr beginnt. Da unsere zweite Geigerin so kurzfristig kein Visum bekam, stand ich plötzlich allein an der Violine. Zu meinem großen Glück war Elizabeth Blumenstock (Konzertmeisterin bei Nicholas McGegan) frei und übernahm den Part. Ich habe diese Konzerte, ungeprobt, aber voller Spontaneität, in wunderbarer Erinnerung.
Unsere diesjährige Tour endet in Boston, wo ich direkt nach dem Fall der Mauer im Jahre 1990 mein erstes Konzert als Barockgeiger in Amerika gab. Damals waren Konzerte mit historischem Instrumentarium noch eher eine Rarität. Dementsprechend gab es in der Jordan Hall ein sehr eingeschworenes und enthusiastisches Publikum.
Direkt nach der Tour durch die USA gehen Sie mit René Jacobs auf Konzertreise durch Europa mit Bachs Passionen. Was können Bach-Fans von Ihrer Lesart dieser Werke erwarten?
Wir haben in unserer Aufnahme der Matthäus-Passion die Doppelchörigkeit sehr ernst genommen und versucht, uns einem Klangbild zu nähern, wie es damals in der Thomaskirche hätte sein können. Das heißt, Chor I und Orchester I sind deutlich größer besetzt als Chor II und Orchester II, die damals nur auf der sehr kleinen Seitenempore Platz fanden. Auch sind die Solisten Teil des Chores, mit Ausnahme des Evangelisten.
Wenn Sie in die Vergangenheit reisen und Bach eine Frage stellen könnten, was würden Sie ihn fragen?
Wahrscheinlich würde ich vor Aufregung und Bewunderung kein Wort herausbringen. Falls ich aber doch meine Sprache wiederfände, würde ich ihn fragen, ob er auch an der Oper Interesse hatte und vielleicht gern selbst eine Oper komponiert hätte.
2017 feiern wir Telemanns großes Jubiläum. Welches eine Werk von Telemann würden Sie empfehlen, um für seine Musik zu werben?
Telemann überrascht mich immer wieder. Es gibt so viele Werke, die vergessen in irgendwelchen Bibliotheken herumlagen und jetzt wieder zum Leben erweckt werden und wunderbare Musik enthalten. Aus dieser Fülle sind mir zwei Werke besonders lieb: Orpheus oder die Beständigkeit der Liebe und seine Brockes-Passion. Beim Telemann-Festival in Hamburg werden wir in diesem Jahr übrigens seine kaum bekannte, in Persien spielende Oper Miriways spielen.
Welchem weniger bekannten barocken Werk würden Sie gerne zu mehr Bekanntheit verhelfen, und warum?
Sehr hörenswert sind Ariadne auf Naxos und Medea, die Melodramen von Georg Anton Benda. Seine Musik ist von einer verblüffenden musikalischen Ausdruckskraft. Überhaupt ist das Melodram mit seiner Durchmischung von dramatischer Musik und Deklamation (anstelle von Gesang) eine heute noch so ungewöhnliche wie faszinierende Form des Musiktheaters.
Sie treten mit einigen namhaften Künstlern auf – Nuria Rial, Sandrine Piau, Tine Thing Helseth und vielen anderen. Wie unterscheidet sich die Arbeit mit verschiedenen Persönlichkeiten, wenn sie anspruchsvoll, still, impulsiv oder nervös sind?
Es ist sicher ein großer Vorteil, dass wir uns in unserem Orchester so lange kennen und in unserer Art zu musizieren miteinander so vertraut sind. Aber ich liebe es, mit anderen Solisten zu musizieren; sie bringen neue Ideen, eine andere Lesart der Musik und fordern uns heraus, scheinbar Selbstverständliches zu hinterfragen.
Ihr Konzertkalender ist so ziemlich der vollste unter allen Barockensembles, mit denen wir gesprochen haben, und verlangt viel Zeit auf Reisen. Wie schafft man ein solches Pensum neben jeglicher Form von Familienleben?
Das ist in der Tat eine sehr wichtige Frage. Und leider kann ich keine richtig befriedigende Antwort darauf geben. Es gab sehr viele Beschwerden, besonders als meine Kinder noch kleiner waren. Ich bin aber sehr froh, dass sie sich trotzdem die Liebe zur Musik erhalten haben.
Welche Orte mögen Sie am liebsten, um Barockmusik zu spielen, und warum? Ist es das Ambiente eines Saals, ein Gefühl von Geschichte, die Akustik, ein besonderes Publikum oder etwas ganz Anderes?
Ich weiß gar nicht, ob ich mich da so festlegen kann. Eine sehr große Rolle spielt die Beziehung zum Publikum. Und natürlich ist das in einem schönen Ambiente leichter. So liebe ich es zum Beispiel, Telemann in der Laeiszhalle zu spielen, oder Kammermusik in der Wigmore Hall.
Vom 11. März bis zum 24. April ist die Akademie auf US-Tournee - hier finden Sie alle Konzerte. Im April veröffentlicht sie ihre aktuelle Aufnahme: Telemanns Concerti per molti stromenti.
Wir danken Linus Bickmann für das Arrangieren des Interviews und die Übersetzung ins Englische.

