Elektra ist ein Fixstern an der Wiener Staatsoper, obwohl die Regiearbeit von Uwe Eric Laufenberg aus anno 2015 kaum Fans haben dürfte. Doch wenn man Elektras Geschichte in Beziehung zu den aktuell umjubelten Les Troyens setzt, und dazu eine hochkarätige Besetzung aufbietet, hat das nicht nur für Strauss-Freunde einen besonderen Reiz.
Wie üblich in dieser Inszenierung, beginnt der Abend recht zäh mit ein paar blutigen Nackten im verdreckten Bad neben dem Kohlenkeller, und es endet mit einer Leichenschau im holzfurnierten Paternoster. Dazwischen aber gibt es einiges an funktionaler Personenregie, welche die Sängerinnen und Sänger bei ihrer Arbeit unterstützt – so eine Elektra kann trotz der Kürze auch anstrengend sein.
Zur besonderen Herausforderung wurde der besprochene Abend dennoch, weil Michael Boder am Pult in Geber-Laune war und das ebenso gut disponierte wie spielfreudige Staatsopernorchester ordentlich ins Schlagwerk hauen und ins Blech blasen ließ. Boder ist zwar regelmäßiger und geschätzter Strauss-Dirigent am Haus, aber am besprochenen Abend war es beim Instrumentalen zu viel des Guten. Natürlich muss es in diesem Wahnsinns-Werk im buchstäblichen Sinn archaisch-heftig zugehen, doch sollten die Stimmen des Frauen-Dreigestirns Elektra, Chrysothemis und Klytämnestra durch die finstere Pracht der Musik leuchten. Das wurde aber zumindest den ersten beiden Damen am Beginn recht schwer gemacht.
Sowohl Lise Lindstrom in der Titelpartie als auch Anna Gabler als Chrysothemis mühten sich zunächst durch das Klangdickicht, sodass zur Sorge um deren Stimmen die Sorge um das eigene Trommelfell hinzukam. Das ist ärgerlich, denn wenn man die beiden Damen singen lässt, statt sie zum Schreien zu nötigen, sind sie ein kongeniales Schwesternduo.
Lise Lindstrom gibt in dieser Aufführungsserie ihr Rollendebüt an der Staatsoper, und das gelingt ihr unter den gegebenen Umständen ausgezeichnet. Im schmalen Herrenanzug dieser Inszenierung macht sie nicht nur wortwörtlich eine gute Figur, denn er unterstützt Lindstroms Interpretation. Sie ist keine Furie, sondern im Streben nach tödlicher Rache für ihren Vater von maskuliner Unbeirrbarkeit, eiskalt, intelligent gefährlich – gern wäre sie ein Mann, um die Tat selbst auszuführen. Dementsprechend berührt ist man auch, wenn diese Elektra ihrer verlorener Schönheit nachtrauert. Das alles hat Lindstrom nicht nur im Spiel, sondern auch in der Stimme, deren dramatische Höhe für den einen oder anderen Gänsehaut-Moment sorgte; nur in der Tiefe darf es beim nächsten Mal ruhig mehr sein.