Italienische Leichtigkeit als Soundtrack zu Shakespeares düsterstem Game of Thrones, und die Primadonna als machthungrige Psychopathin, die in Wahnsinn und Tod endet: Es gibt zahlreiche Gründe, warum Verdis Macbeth eine der spannendsten Opern im Repertoire ist, und ebenso viele Ankerpunkte für deren Inszenierung: Macht und Moral, Ratio und Aberglaube, menschliches Versagen – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Dass Intendant und Regisseur Roland Geyer nun aus vielen Ideenb ausgerechnet das dünnste Fädchen – die Liebe zwischen Macbeth und seiner Lady – als Aufhänger für seine Interpretation wählte, überrascht: Jener Dame, die bei Shakespeare ihrem Mann vorhält, sie würde eher ihrem lächelnden Säugling das Gehirn herausdreschen („dash’d the brains out“), als einen Plan aufgeben (Duncans Ermordung), würden die wenigsten Liebesfähigkeit attestieren. Viel eher geht es in der symbiotischen Beziehung des Paares um Gehorsam, vielleicht sogar sexuelle Hörigkeit, aber kaum Liebe. Das dürfte auch der Grund sein, warum Geyer im Programmheft seine Sichtweise mit Sekundärliteratur wie Kant, de Sade, Plato und Freud, aber nicht mit Shakespeare selbst begründet.
Doch sogar wenn man letzteren ausblendet und ganz bei Verdi bleibt, ergibt der Ansatz von Macbeth als Parabel über die Liebe wenig Sinn: Wenn Macbeth, der bei der Nachricht vom Tod seiner Frau noch eben gleichgültig blieb, sich dann aus der Totenstarre aufrappelt, um die tote Lady leidenschaftlich zu küssen, wirkt das unfreiwillig komisch und störte, zumindest an diesem Abend, den soliden Gesamteindruck so nachhaltig, dass der Schlussapplaus etliche Dezibel unter dem blieb, was davor zu erwarten (und auch verdient) gewesen wäre. Dabei beginnt diese Regiearbeit nicht uninteressant (die kinderlose Lady kuschelt mit zahmen Ratten), doch spätestens wenn sie gemeinsam mit ihrem Mann – gemäß der Liebes-Hypothese soll das Paar möglichst oft gemeinsam auftreten – einen Nachtklub besucht, in dem tanzende Conchita-Verschnitte, halb im Glitzerkleid und halb im Smoking, die weissagenden Hexen geben, ahnt man, dass man statt eines stringenten Konzepts von jedem Dorf einen Hund präsentiert bekommen wird – und das bewahrheitet sich leider.
Zwar ist es eine Glanzidee, Macbeths irren Traum im dritten Akt mit einem Video von Hieronymus Boschs Der Garten der Lüste zu verbinden (großartig: David Haneke), doch gerät die Projektion der animierten Monstren auf dem Vorhang im Bühnenvordergrund so gewalt(tät)ig, dass die Handlung auf der Bühne buchstäblich in den Hintergrund tritt. Darüber hinaus ist die Verbindung des Bosch-Themas zur übrigen Handlung schwach: Statt einer mehr oder weniger unmotiviert durchs Geschehen irrlichternden Bosch-Nackten hätte sich beispielsweise die Besetzung der Hexen aus dem Bosch-Kosmos angeboten, doch da wollte man scheinbar nicht auf die tanzenden Zwitter verzichten.
Durchwegs gelungen ist hingegen Johannes Leiackers ebenso praktische wie elegante Ausstattung mit klassisch-roten Vorhängen, glänzendem und mattem Schwarz an den Wänden. Als Bühnenmittelpunkt fungiert eine Art Kabine, die innen mit polierten und außen mit verätzten Spiegeln verkleidet ist, und sich heben, senken und drehen kann. Ob man den beeindruckend großen Baumstamm, der nach der Pause den Bühnenhintergrund dominiert, als Anspielung auf Die Walküre oder einfach als Symbol für den Wald von Birnam verstehen will (vielleicht auch Stabilität im Chaos?), liegt im Auge des Betrachters.