Ungewöhnlich schien die Werkauswahl, die Violinist Leonidas Kavakos für sein erstes Konzert als Artist in Residence beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in dieser Saison traf. Weder ein Glanzstück technischer Virtuosität, noch ein lyrisches Erzählwerk stand auf dem Programm, sondern Schostakowitschs Erstes Violinkonzert, das mit vier Sätzen und kantigen Klängen in klarem Kontrast zu der Tradition des Genres steht und viel mehr von den existenziellen Bedrohungen eines Künstlers unter dem Stalin-Regime erzählt.
Mit gläsern-klarem Ton begann Kavakos die Nocturne, die getragen von diesem sinnierenden Ansatz nur an Intensität und Nachdrücklichkeit gewann. Die Symphoniker unter der Leitung des Rumänen Cristian Măcelaru fügten sich nahtlos in Kavakos‘ Spiel ein. Măcelaru, der im Vergangenen die Symphoniker bereits mit Schostakowitschs Erster Symphonie leitete, setzte mit seiner Interpretation auf die scharfen Gegensätze des Konzerts. Die Innigkeit des ersten Satz kontrastierte er mit den komplexen, polyphonen Linien des Scherzos. Kavakos schaltete mühelos um auf die aggressiven, kratzigen Klänge des Scherzos. Die Groteske überspitzend stellten sich die Symphoniker an Kavakos Seite und tanzten dieses atmosphärisch dicht und erdig.
In der Passacaglia, dem dritten Satz des Konzerts, entfaltete Kavakos das Piano espressivo mit solcher berührender Kantabilität, dass die abschließende Solokadenz des Satzes mit ihrem anfangs ruhigen und stetig immer wilderen, verzweifelten Charakter umso bedrückender wirkte – besonders, da Kavakos trotz des musikalischen Stimmungswechsels komplett in sich ruhte und kaum körperlichen Einsatz brauchte, um seiner Violine extreme Klänge zu entlocken. Das Finale wurde zur mustergültigen Groteske, die Schostakowitsch so hintergründig, zweideutig in seine Musik eingeflochten hat. Rasant und überdreht gaukelten die Symphoniker Ausgelassenheit vor und machten doch gleichzeitig den Zwang klar, unter dem die Musik ihrerzeit entstanden war.