Rhapsoden nannte man im Altertum die Wandersänger, die auf den Märkten mit Dichtungen und Musik unterhielten. Auch wenn die Werke des symphonischen Abends der Bamberger Symphoniker nicht den Titel Rhapsodie trugen, fühlte man sich im Konzert im besten Sinne an die Vorstellung von Rhapsoden erinnert.
Jean Sibelius ignorierte in seinem 1904 uraufgeführten Violinkonzert in d-Moll die modernen Strömungen des beginnenden 20. Jahrhunderts und hielt sich lieber an eine Mischung aus nüchternem Klassizismus und rhapsodischem Melodienreichtum, die vom Solisten sprühende Virtuosität verlangen und vom Dirigenten und dem Orchester in einen kraftvollen, fast strengen Rahmen eingebettet werden.
Mit der in Russland geborenen Geigerin Viktoria Mullova hatten Jakub Hrůša und die Bamberger Symphoniker eine kompetente Partnerin verpflichtet. Über einem pianissimo beginnenden Tremolo der gedämpften Geigen ließ Mullova im kadenzreichen Allegro moderato in zarter Linie ihren Solopart aufblühen, mit einem kaum endenden Crescendo weiterführend, wie ein Sonnenaufgang über einer fahlen nordischen Winterlandschaft. Dunkle Klangfarben von Klarinetten, Fagotten, Bratschen und Celli fügten sich allmählich ein, bis der Tag in einem ersten „Donnerschlag“ des Orchesters erwachte. In solchen Tuttipassagen ließ Hrůša das Orchester ungebremst ausspielen, Blechbläser und Schlagwerk virtuos agieren, um dann wieder diese Begleitung zu Gunsten der rhapsodischen Fortspinnung und des romantischen Gefühlsausdrucks der Solistin völlig zurückzunehmen. Das Adagio di molto, geheimnisvoll mit Holzbläsern in Terzen beginnend, erfuhr seine tonale Bestätigung mit wunderbaren Einsatz der Hörner, aus dem Mullova elegische Wärme in der weitgespannten Melodie der Solostimme entwickelte.
Nicht weniger eingängig war das Allegro mit seinem energischen, tanzfrohen Thema, das dank seiner ausgesuchten Rhythmen und wirkungsvollen Kadenzen neben Naturfarben auch an den Trubel freudiger Feste denken lässt. Viktoria Mullova führte zu einem hinreißenden, fast unbeschwerten Ausklang des an herben und auch wieder süßen Melodien reichen Konzerts, das sie bei allen poetischen Sinnen in grenzenloser Modulationsfähigkeit bei stets konturenscharfer Tongebung so virtuos gestaltete. Begeisterter reicher Beifall, gleichermaßen vom verzauberten Publikum wie auch Dirigenten und Orchester, für den Mullova mit einer barocke und modern-jazzige Elemente vereinigenden Eigenkomposition ihres Sohnes Mischa, selbst Kontrabassist, dankte.
Jakub Hrůša, nun im zweiten Jahr Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, hatte für seine Tätigkeit einen Schwerpunkt in tschechischer Musik angekündigt, und nach Suks Asrael-Symphonie, Dvořáks Neunter und Martinůs Cellokonzert war dies in kurzer Abfolge ein vierter deutlicher Akzent in der Programmgestaltung der Saison. Bedřich Smetanas Smetanas Zyklus Mein Vaterland war ursprünglich als Tetralogie geplant, und in dieser Form trugen Jakub Hrůša und die Bamberger Symphoniker das Werk vor. Als Smetana mit fünfzig Jahren fast schlagartig taub wurde, wandte er sich der Orchesterkomposition zu und vollendete, als Rhapsode von Mythos und tschechischer Landschaft, die sechs Dichtungen des symphonischen Zyklus.