Mit einem breit gefächerten Programm besticht die aktuelle Saison des Musikvereins für Steiermark, das vierte Orchesterkonzert stand nun ganz im Zeichen Piotr Tschaikowskys. Das Ural Philharmonic Orchestra unter Chefdirigent Dmitri Liss erwies sich als Idealbesetzung für diesen Abend und hauchte der Musik auch die nötige russische Seele ein.
Den ersten Teil des Programms bildete Tschaikowskys einziges Violinkonzert in D-Dur, bei dem schon das erste Anschwellen der Geigen verriet, mit welch vielfältigen dynamischen Schattierungen, welcher Differenziertheit Dmitri Liss arbeitet. Solist Sergej Krylov, ebenfalls Russe, berührte mit seinem Spiel hier in den sanften Passagen am meisten, obwohl er seine Virtuosität zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hatte demonstrieren können. Beeindrucken konnte er im ersten Satz vor allem mit der Solo-Kadenz, in der er sich bis ins leiseste Pianissimo zurücknahm, das bei absoluter Stille im Saal (trotz Erkältungszeit!) seine volle Wirkung entfalten konnte. Krylov harmonierte wunderbar mit dem Orchester und drängte sich nie in den Vordergrund, sondern verhielt sich beinahe so zurückhaltend, als wäre er ein reguläres Mitglied des Orchesters.
In die schwebende Stimmung des elegischen Wechselspiels zwischen Bläsern und Streichern im zweiten Satz brach unvermittelt im Fortissimo die direkte Überleitung zum dritten Satz ein, in dessen fast hektischer Lebhaftigkeit Krylov sein ganzes Können virtuos ausspielen konnte. Er meisterte sogar die fingerbrecherischsten Passagen mit traumwandlerischer Sicherheit und steigerte sich gemeinsam mit dem Orchester zu einem fulminanten Finale. Dmitri Liss ließ dem Solisten viele Freiheiten und konnte dennoch Orchester und Solovioline zu einem runden Gesamtklang verschmelzen. Das Ural Philharmonic Orchestra präsentierte sich bestens disponiert und perfekt aufeinander abgestimmt, die Streicher schienen richtiggehend zu schweben. Großen Jubel gab es natürlich auch für Sergej Krylov, der in einer Zugabe noch einmal seine Virtuosität unter Beweis stellen konnte.
Nach der Pause folgte Tschaikowskys Sinfonie Nr. 6 in h-Moll, bekannt geworden unter dem Namen Pathétique, den sein Bruder Modest etabliert hatte. Liss offenbarte eine sehr melancholisch-dramatische Interpretation und begeisterte wie schon im Violinkonzert mit dynamischer Differenziertheit, feiner Balance und vor allem mit viel russischer Seele, die das Orchester wie zuvor eindringlich und überzeugend in seiner makellosen Interpretation transportierte. Sie kam besonders im ersten Satz mit viel Schwermut zum Tragen, in dem die verzweifelten Streicher zunächst in das Wehklagen des Fagotts mit einstimmten, bevor sich ihr Klang zu einem stürmischen Gewitter zusammenbraute und sich schließlich donnernd entlud. Nach dem abschließenden, düsteren Nebel, in den die Blechbläser die Streicher mit schicksalhafter Motivik einhüllten, schien der zweite Satz mit seinem wiegenden Fünfvierteltakt beinahe befremdlich beschwingt, doch auch er entwickelte einen fast morbide anmutenden Charme, und je weiter der Satz fortschritt, desto stärker wurde das Gefühl der Melancholie, das vor allem von den schluchzenden Celli ausging.
Als wolle sie gegen die zunehmend stärkere, aufkeimende Dramatik aufbegehren, nahm die Flöte im dritten Satz einen beinahe trotzigen Zug an, doch der Schicksalhaftigkeit und der schier verzweifelten Grundstimmung konnte auch sie sich nicht entziehen, als Celli und Bässe schließlich jener Hoffnungslosigkeit Ausdruck verliehen, die schon den ganzen Abend über präsent war. Diese letzten Pianissimo-Takte, die im Saal beinahe ewig zu schweben schienen, waren der stille, aber emotionale Höhepunkt, der das Publikum zunächst mehrere Sekunden in ergriffenem Schweigen verharren ließ, bevor es die Künstler mit heftigen Ovationen belohnte.