Einen wahren Streaming-Boom brachte die Corona-Pandemie mit sich; der Kultursender ARTE übernahm allerdings bereits 2018 eine Vorreiterrolle in Bezug auf Online-Opernbesuche und initiierte die digitale Opernspielzeit Saison ARTE Opera. Wie erfolgreich das Projekt ist, das mittlerweile in Zusammenarbeit mit 22 Partnern in 13 Ländern realisiert wird, zeigt sich bei einem Blick auf die Zahlen: Weltweit wurden alleine in der vergangenen Saison 1,1 Millionen Opernbegeisterte erreicht. Der erfolgreichste Stream kam 2021/22 aus der Wiener Staatsoper; 97.000 Zuseher konnte Rossinis Barbiere di Siviglia verbuchen – dies entspräche knapp 49 ausverkauften Vorstellungen der Produktion vor Ort im Haus am Ring!
Die Kunstform Oper schaffe es nämlich seit Jahrhunderten, „Menschen und Ideen über Grenzen und Sprachbarrieren hinweg miteinander zu verbinden“, so ARTE-Programmdirektorin Emelie de Jong und um diesem Gedanken gerecht zu werden, sind sämtliche Übertragungen in ganz Europa verfügbar und zusätzlich – dank des EU-Förderprogramms Creative Europe – mit Untertiteln in sechs Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Polnisch) versehen. Um dem Publikum größtmögliche Flexibilität zu ermöglichen, werden Produktionen nicht nur live gestreamt, sondern sind auch als Video-on-Demand verfügbar.
Eröffnet wurde die digitale Saison 2022/23 im Oktober mit einer Produktion von Léo Delibes Lakmé aus der Pariser Opéra Comique mit Sabine Devieilhe in der Titelrolle. Die Oper, in der sich ein britischer Offizier in die Tochter eines Brahmanenpriesters verliebt, die sich wiederum mit einer giftigen Blume selbst tötet, bietet zwar inhaltlich nicht viel Spannung, besticht aber musikalisch dank der berühmt-berüchtigten Glöckchenarie und dem wunderschönen Duett „Viens, Malika!... Sous le dôme épais“.
Mit „Nessun dorma“ hat auch Giacomo Puccinis Turandot, die in einer Aufzeichnung von Juni nun auf ARTE als Video-on-Demand zur Verfügung steht, einen veritablen Gassenhauer zu bieten. In der surrealen Inszenierung von Philipp Stölzl verkörpern Elena Pankratova und Yusif Eyvazov das zentrale Paar, Altmeister Zubin Mehta steht am Pult.
An der Berliner Staatsoper Unter den Linden inszenierte Dmitri Tcherniakov Richard Wagners Ring des Nibelungen und sorgte mit seinem Forschungslabor-Setting nicht nur bei Opernfans, sondern auch bei Tierschützern – wegen 30 Nagetieren auf der Bühne – für angeregte Diskussionen. Die musikalische Leitung liegt in den bewährten Händen von Christian Thielemann, die Besetzung bietet mit Michael Volle als Wotan, Andreas Schager als Siegfried und der Brünnhilde von Anja Kampe große Namen auf. Nachdem im Oktober bereits Das Rheingold als Appetithäppchen zu sehen war, ist ab Mitte November schließlich der gesamte Ring-Zyklus online verfügbar.
Eine Rarität gibt es ab Anfang Dezember zu erleben, denn Fromental Halévys La Tempesta – basierend auf Shakespeares Romanze Der Sturm – geriet trotz einer erfolgreichen Uraufführung 1850 bald in Vergessenheit. Die Wexford Festival Opera bringt das Werk nun auf die Bühne zurück und entführt das Publikum auf die verwunschene Insel des Zauberers Prospero.
Nach dem Jahreswechsel steht mit der Übertragung von Georg Friedrich Händels Giulio Cesare aus der Dutch National Opera in Amsterdam die erste Barockoper der Saison am Programm. In einer Inszenierung von Calixto Bieito singt Countertenor Christophe Dumaux die Titelrolle, Julie Fuchs übernimmt die Partie der Kleopatra; Emmanuelle Haïm und ihr Orchester Le Concert d’Astrée steuern aus dem Graben Barockexpertise bei.