Bayreuth ist seit langem ein Sommerwallfahrtsort für Wagnerianer, aber in den letzten Jahren hat es sich rasch als attraktives Ziel für Liebhaber der Barockoper und der Vokalmusik etabliert. Der künstlerische Leiter und unternehmerische Countertenor Max Emanuel Cenčić hat im September 2020 trotz der Pandemie das Bayreuth Baroque Opera Festival von Weltrang ins Leben gerufen. Schauplatz ist das kürzlich renovierte Markgräfliche Opernhaus aus dem 18. Jahrhundert, ein perfekter Ort, um den Schatz an barocken Opernraritäten zu entdecken.
Das 1746-50 erbaute Markgräfliche Opernhaus ist in der Tat ein Meisterwerk der barocken Theaterarchitektur und -gestaltung. Mit rund 500 Plätzen kann das Publikum die Oper in einer Umgebung und Akustik erleben, wie sie im 18. Jahrhundert herrschte, da die ursprüngliche Form und Gestalt sowie die Materialien erhalten geblieben sind. Im Jahr 2012 wurde das Opernhaus von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Das diesjährige Bayreuth Baroque Opera Festival, die vierte Ausgabe, findet vom 7. bis 17. September statt und bietet zwei szenische Aufführungen und ein hochkarätiges Programm an Liederabenden im Opernhaus und in den umliegenden Spielstätten.
Zum ersten Mal wird bei den Festspielen eine selten gespielte Händel-Oper aufgeführt. Es handelt sich um Flavio, die 1723 in London uraufgeführt wurde und in der die großen Gesangsstars der damaligen Zeit, Senesino, Cuzzoni und Duranstanti, mitwirken. Anders als Händels heroische Opera seria dieser Zeit ist die Geschichte eine subtile Mischung aus dunkler Tragödie und leichter, satirischer Komödie. Dieser satirische Aspekt der Oper ist es, der Cenčić besonders fasziniert, denn er führt nicht nur Regie, sondern singt auch die Rolle des zwiespältigen Protagonisten Guido.
In der Rolle des Flavio gibt der aufstrebende junge französische Countertenor Rémy Brès-Feuillet, Preisträger des Cesti-Wettbewerbs in Innsbruck 2021, sein Festspieldebüt. Die hervorragende Besetzung umfasst auch Favoriten des Festivals, darunter die außergewöhnliche Sopranistin Julia Lezhneva als Emilia (Guidos Frau) und der Countertenor Yuriy Mynenko als Diener des Königs. Im Orchestergraben wird Benjamin Bayl das hervorragende Concerto Köln leiten, das in diesem Jahr das Orchestra in Residence ist.

Die zweite Opernproduktion ist eine faszinierende. Sie wurde 2017 in Athen uraufgeführt und ist eine Inszenierung der alternativen Version von Monteverdis L’Orfeo, die auf dem früheren Libretto von Striggio aus dem Jahr 1607 basiert und sich an den ursprünglichen Mythos hält – Orfeo wird von den Mänaden grausam getötet, anstatt glücklich mit Euridice wiedervereint zu werden. Da die Musik für diese Szene nicht erhalten ist, hat der Komponist Pano Iliopoulous eine neue Musik (einschließlich Live-Elektronik) im Geiste Monteverdis geschaffen. Die Inszenierung unter der Regie von Thanos Papakonstantinou zeigt den Startenor Rolando Villazón in der Titelrolle und ein hochkarätiges Ensemble von Solisten. Der charismatische griechische Dirigent Markellos Chryssicos dirigiert sein Barockensemble Latinitas Nostra.
Zwischen den Opernproduktionen finden an verschiedenen Orten in und um Bayreuth glanzvolle Liederabende mit etablierten und jungen Sängern statt. Der vielseitige deutsche Tenor Daniel Behle gibt ein Rezital im Opernhaus mit Concerto Köln, das der einzige Ausflug jenseits des Barocks ist: Er erkundet die Bravourarien von Sarti, Traetta und Mysliveček – allesamt hochgeschätzte Komponisten der Opera seria.
Der elegante und stimmschöne Countertenor Valer Sabadus ist mit dem Orkiestra Historyczna unter Martyna Pastuszka im Opernhaus zu Gast. Das eigens für das Festival zusammengestellte Programm konzentriert sich auf die Musik von Carl Heinrich Graun (1704-1759), der persönliche Beziehungen zur Markgräfin Wilhelmine unterhielt (die das Markgräfliche Opernhaus in Auftrag gab). Auf dem Programm stehen Arien aus seinen Opern wie Montezuma, Cleopatre e Cesare und Rodelinda, ein Werk, das Wilhelmine in Bayreuth aufgeführt hatte.
Das Dinnerkonzert in der Eremitage, ein beliebter Rückzugsort der Markgräfin Wilhelmine, hat sich zu einem beliebten Festivalevent entwickelt: ein exquisites Abendessen, gefolgt von einem intimen Konzert bei Kerzenlicht im historischen Ambiente des Sonnentempels der Orangerie. Der israelische männliche Sopran Maayan Licht, der im vergangenen Jahr sein Festivaldebüt in Alessandro nell'Indie gab, singt eine Auswahl von Vivaldi- und Händel-Arien, begleitet von Guy Maori am Cembalo.
In der Ordenskirche in St. Georgen außerhalb der Stadt (Shuttle-Bus wird bereitgestellt) präsentiert die prominente französische Sopranistin Véronique Gens mit Passion ein Programm, das starke Frauenfiguren der französischen Oper in den Mittelpunkt stellt, wie Proserpine und Alceste in Lullys Oper und Charpentiers Médée, die sie zu einer Pasticcio-Oper zusammengestellt hat. Sie wird begleitet von Louis-Noël Bestion de Camboulas und dem jungen Ensemble Les Surprises.
Der außergewöhnliche brasilianische Sopran Bruno de Sá, der das Festivalpublikum 2022 im Sturm eroberte, wird in dieser Saison zurückkehren mit einem Konzert mit der extravaganten Musik von Komponisten der neapolitanischen Schule wie Alessandro Scarlatti, Durante und Hasse, und dabei sowohl männliche als auch weibliche Rollen singen.
In der Bayreuther Schlosskirche finden zwei Liederabende statt. Reginald Mobley, Grammy-nominierter amerikanischer Countertenor gibt einen Liederabend mit hauptsächlich englischen Liedern von Purcell und Ignatius Sancho, und der 23-jährige, in Honduras geborene männliche Sopranist Dennis Orellana präsentiert ein temperamentvolles Programm, in dessen Mittelpunkt A. Scarlattis 7 Arien mit Solotrompete stehen, zusammen mit Barocktrompeter Julian Zimmermann.
Das Bayreuth Baroque Opera Festival ist ein Fest der barocken Genüsse, das nicht nur die Ohren, sondern alle Sinne erfreut. Es ist das ideale Ziel, um in die Musik und Kultur des Barocks sowie in die reiche Geschichte dieser malerischen Region einzutauchen.
Das Bayreuth Baroque Opera Festival 2023 findet vom 7. bis 17. September statt. Diese Vorschau wurde vom Bayreuth Baroque Opera Festival gesponsert.
Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz.