Die drei Werke, die für diesen Abend ausgewählt wurden, haben eines gemeinsam: sie alle wurden von Komponisten in ihren jungen Jahren verfasst. Schostakowitsch komponierte das erste Stück des Konzertes, als er gerade 19 war, Beethoven schuf die anderen beiden Programmpunkte, bevor er 30 wurde. So ungewöhnlich die Gegenüberstellung dieser beiden Komponisten auch scheinen mag, das Konzert in Zürich zog doch zahlreiche Zuhörer an – nicht zuletzt auch wegen des Solisten, dem türkisch-stämmigen Pianisten, Komponisten und Architekten Fazıl Say, der gerade auch Artist in Residence des Zürcher Kammerorchesters ist.

Schostakowitschs Präludium und Scherzo für Streichoktett war bemerkenswert gut mit seinen dissonanten Harmonien und Kontrapunktmustern, die charakteristisch für Schostakowitschs späteres Schaffen sind. Das Präludium beginnt mit etwas ungelenken Linien, die von allen Streichergruppen nacheinander wiederholt werden, doch schon bald bekommt es einen motorähnlichen Antrieb, der nie seinen Schwung verliert. Die Geschwindigkeit und Dichte des Präludiums waren nahezu wild: das Werk eines brillanten, aber körperlich fragilen jungen Komponisten vielleicht, der versuchte, das in Klang auszudrücken, was ihm an Körperkraft fehlte. Die feurige Ekstase des Scherzos endet in einer klangvollen Cellomelodie, während der Konzertmeister die schwierigen hohen Töne auf den Punkt traf, einige davon erschreckend hoch, doch exzellent ausgeführt.

In Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll nahm Fazıl Say seinen ersten Einsatz mächtig. Er ist ein Mann von außergewöhnlichem Talent und pflegt eine lange Beziehung mit Zürich. Er sieht an diesem Tag weniger robust und eher glattrasiert aus, hat die wilde Mähne aus jüngeren Jahren etwas getrimmt, doch sein Spiel ist emotionsgeladen geblieben, einfallsreich und überwiegend nonkonformistisch. Ich bewundere Says unmissverständlich eigensinnige Herangehensweise an klassisches Repertoire. In den allerersten Takten aber waren die zwei ersten Akkorde des so bekannten Stücks trübe, und seine Lautstärke über einen Großteil des Satzes hinweg übertönte das gesamte Orchester. Zum Glück milderte er diese Sprengsätze am Ende des Allegro durch einen gänzlich anderen Ausdruck und spielte eine ganze Passage unkonventionell, kostbar und funkelnd, als wäre sie aus Twinkle, Twinkle Little Star entnommen.

Im abschließenden Rondo zeigte der Pianist das Beste seiner Fähigkeit, Musik von großer Tiefe und überwältigender Sinnlichkeit zu spielen. Vom Klavierhocker aus nutze er oft Handbewegungen, um zu „unterstreichen“, was er vom Orchester erwartete, um nichts über die Mimik und das leise Mitsingen zu sagen, für das er berüchtigt ist. Er ist in jedem Falle ein höchst körperlicher Interpret, das steht außer Frage.

Beethovens Erste Symphonie zeigte das ZKO in Bestform und war eine wahre Freude zu hören. Das Werk verrät den Einfluss des Paten Josef Haydn, besonders im überschwänglichen Anfang und dem Finalsatz, und wurde von Beethovens Zeitgenossen als versichert, kraftvoll, originell und schwierig beschrieben. Die Interpretation des ZKO war sehr kräftig, und Konzertmeister Willi Zimmermann nutzte bald seinen eigenen Körper als Taktstock und stand von seinem Stuhl auf, um seine Anweisungen besser sichtbar zu machen. Der erste Satz beginnt „in der falschen Tonart, und erreicht auch C nicht für weitere 20 Takte,“ sagte Dirigent Sir Roger Norrington in einem Interview. „Es sollte die Leute aufschrecken.“ Doch dieser unerwartete Anfang ergab einen dramatischen Auftakt zu diesem Stück, den das Publikum heutzutage sehr mag.

Der dynamische zweite Satz zeigte sich als sanglichster und melodischster der vier, während der dritte den Hörer zum Tanzen einlud und die Klarinette überzeugend lockte. Der vierte Satz schließlich, eingeleitet von den Violinen unisono, schuf Raum für einen Weckruf der Holzbläser, Lyrisches wechselte sich mit Militärischem ab.

Gut gemacht, ZKO! Hier hörte man Beethoven in all seiner Pracht, nonkonformistische Tendenzen beiseite. Oboistin Rosemary Yiameos glänzte, ebenso Felix Renggli an seiner weichen, hölzernen Flöte. Cellist Nicola Mosca strahlte in seinem Solo im vierten Satz, fest eingebettet im Klangteppich, der ihn ins Zentrum rückte. Die Sitzordnung auf der Bühne – etwas runder als gewöhnlich – sah die Gruppe als Wortführer der Musik: Handwerker(innen) im Dienste der Symphonie. Und mit ihren langen, aufgeschobenen Überleitungen, feinen Zwischenspielen und Hinweise zum Ätherischen revanchierte sich Beethovens Werk und wies wunderbar auf die herausragenden musikalischen Talente des ZKO.



Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck

 

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