Nach dem Zyklus Schubert'scher Symphonien in dieser Saison setzt Philippe Jordan mit seinem Orchester auch weiterhin seinen Fokus auf zentraleuropäisches Repertoire. Bartók und Beethoven bilden den Grundstein für die meisten von Jordans Konzerten mit den Wiener Symphonikern. Ein Gesamtzyklus von Beethovens Klavierkonzerten mit dem französischen Pianisten Pierre Laurent-Aimard zieht sich durch die gesamte Spielzeit, und jedes Konzert wird dabei mit einem bedeutenden Werk des ungarischen Komponisten Béla Bartók gepaart, für den Beethoven ein bedeutsamer Einfluss war.

Beethovens fünf Klavierkonzerte umfassen eine beträchtliche Zeitspanne, von einem Zeitpunkt vor Beethovens 20. Geburtstag bis zur Uraufführung des fünften Konzertes, als der Komponist 41 Jahre alt war. Dieses letzte Klavierkonzert ist im englischsprachigen Raum auch unter seinem Beinamen The Emperor bekannt, der nicht von Beethoven selbst, sondern von dessen englischem Verleger stammt. Im Vierten Klavierkonzert beginnt Beethoven nicht mit einem langen Tutti, sondern lässt das Klavier allein spielen, bevor das Orchester sacht die Szene betrifft. Der zweite Satz bildet einen Dialog zwischen Klavier und Orchester, der oft mit der Szene verglichen wird, in der Orpheus vor den Toren des Hades die Furien bezähmt.

Die Werke Bartóks in dieser Saison beinhalten Favoriten wie sein Konzert für Orchester, ein Schaustück für Serge Koussevitzkys Boston Symphony Orchester, und die Tanzpantomime Der wunderbare Mandarin. Eine weitere Tanzpantomime – Der holzgeschnitzte Prinz – ist eine Seltenheit in Konzertsälen. Geschrieben für riesige Orchesterbesetzung handelt die Erzählung von einem Prinzen, dessen Versuche, die Prinzessin seiner Träume zu erreichen, von einer Fee vereitelt werden. Das wirklich spektakuläre Bartók-Werk allerdings kommt am Ende der Spielzeit: eine konzertante Aufführung seiner Oper Herzog Blaubarts Burg mit dem ungarischen Bass Gábor Bretz, die mit ihrem psychologischen Gehalt konzertant genauso bewegend sein kann wie in einer inszenierten Fassung.

Zu anderen Pflichtprogrammen zählt Mahlers mächtige Dritte, die längste Symphonie im Standardrepertoire. Zudem nimmt Daniel Harding im November Schumanns monumentale Szenen aus Goethes Faust in Angriff, zusammen mit erstklassigen Solisten wie Christian Gerhaher und Christiane Karg.

Auf dem Menü der Wiener Symphoniker stehen außerdem einige deutsche und österreichische Leckerbissen der Spätromantik, die auch ausgefallene Geschmäcker begeistern werden, beginnend mit Franz Schmidts Oratorium Das Buch mit Sieben Siegeln, das die Geschichte der Menschheit und der Vier Apokalyptischen Reiter aus dem Johannesevangelium erzählt. Es ist ein immenses Werk, das eine immense Orchesterbesetzung erfordert, und genau die bekommt es unter der Leitung von Manfred Honeck.

Marek Janowski führt das Orchester durch Teile der Götterdämmerung, während Sebastian Weigle die Vierte Symphonie eines von Wagners größten Schülern, Anton Bruckner, dirigiert. Auch zwei Werke eines weiteren Österreichers – Alexander Zemlinsky – stehen in der kommenden Saison auf dem Programm: die siebensätzige  Lyrische Symphonie, die Anne Schwanewilms und Thomas Hampson in Solistenrollen sieht, und die üppig instrumentierte Seejungfrau, eine Fantasie nach Hans Christian Andersen. Vladimir Jurowski dirigiert beide Zemlinsky-Konzerte.

Konzertreisen bieten die perfekte Gelegenheit, eine Interpretation zu vervollkommnen, besonders in einem Konzert, in dem Dirigent und Solist jeden Abend die verschiedensten Nuancen herausarbeiten können. Hilary Hahn wird Dvořáks Violinkonzert in a-Moll im Februar noch viel besser kennen, wenn sie es zwölf Mal gespielt hat, in Wien, München, Stuttgart, Hamburg, Köln und Mannheim. Dieses sonnigste aller Violinkonzerte, wird oft in die Schublade mit der Aufschrift „vernachlässigt“ gesteckt: sein Widmungsträger Joseph Joachim hat es nie öffentlich gespielt, da ihm die äußerst dichte Orchesterbegleitung nicht zusagte. Hilary Hahn ist dabei das neueste Glied in einer Reihe von berühmten Interpreten dieses Konzertes.

Charles Dutoit leitet eine weitere Konzertreise nach Ungarn, Slowenien und Italien, im Gepäck ein buntes Programm von Prokofjew (Romeo und Julia), Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune und Ravel’s malerische Orchestrierung von Mussorgskys Bilder einer Ausstellung – ein Werk, für dessen meisterliche Interpretation Dutoit bekannt ist.

Regelmäßige Konzertgänger sollten es sich sicherlich gönnen, die Wiener Symphoniker unter so verschiedenen Dirigenten und mit so vielfältigem Programm zu hören. Wie ein Orchester seinen Klang verändern kann – ähnlich einem Chamäleon – ist Beweis seiner Klasse. Ein letztes Juwel, das den wahren Wiener Klang demonstriert, und das man nicht verpassen sollte, ist Strauss' Oboenkonzert, gespielt von Ines Galler, Oboistin der Symphoniker. Es ist immer wunderbar, wenn ein Musiker sich aus den Reihen seines Registers löst und eine Konzertvorstellung gibt: Es fördert lokale Farbe und erzeugt eine kollegiale Stimmung - und das kann etwas ganz Besonderes sein.