2022 für die Salzburger Festspiele im Gepäck, sollten Václav Luks' Collegium 1704, Collegium Vocale 1704 und fünf Solisten Josef Myslivečeks am 10. März 1776 in Florenz uraufgeführte Azione sacrale Abramo ed Isacco bei der NTR ZaterdagMatinee im Amsterdamer Concertgebouw nun auch zur niederländischen Premiere verhelfen. Dem Werk zwischen Oratorium und Oper, aufgrund des Stoffes über die Bindung Isaaks durch seinen Vater Abraham zur Prüfung dessen Gottesfurcht offiziell Ersteres, das der letzte Erfolg des böhmischen Komponisten war und in schwierigster Zeit entstand, befielen Mysliveček erste Symptome der Syphilis. Sie führten im Verlauf dazu, dass ihm die Nase entfernt werden musste, woraufhin seine danach noch bis zum vereinsamten und bereits vergessenen Tod geschriebenen Noten vom Publikum unterlaufen wurden.

Mit Wolfgang Amadeus Mozart, dem das Stück nach dessen Wiederentdeckung 1928 zunächst fälschlich zugeordnet werden sollte, verband ihn eine gute Freundschaft. Sogar solche, dass sich Mysliveček zu schwarzer Qualensstunde noch für einen Auftrag an seinen Kollegen in seiner Wahlheimat Italien engagierte; und Mozart ihn am 11. Oktober 1777 als einziger im Krankenhaus in München nach der dortigen Revidierungsaufführung des Isacco besuchte. Welch Würdigung er eigentlich verdiente, beweist Myslivečeks Rufname „Il divino Boemo“ gleich seiner Vorgänger Händel und Hasse als „Il caro Sassone“ beziehungsweise „Il divino Sassone“. Ein wenig in Tschechien zur Wiedergutmachung beitragen sollte auch ein Monumentalfilm Petr Václavs mit diesem Alias-Titel, für den Luks mit seinen Ensembles die Musik eingespielt hat und der im Oktober 2022 in die Kinos gekommen ist.
Filmreif geriet zudem die instrumentale Darbietung in Amsterdam, wo das Collegium 1704 zwar manchen Effekt durch die wegen oftmals doch akkordteilig-unisono behandelten Violinen nicht-antiphone Aufstellung leicht schmälerte, aber ansonsten durchgängig quirlig, spritzig und brillant agierte. Dabei vollführte das Orchester in verlässlich eingeübter Tadellosigkeit einerseits den oratorischen Balanceakt zwischen Sturm und Drang sowie textbasierter, generell musikalisch ansprechender Dramatisierung und klassisch-galant-geistlicher, melodiöser Feinfühligkeit, andererseits in wörtlicher Bedeutung solchen zum Vokalen. Dafür war es dynamisch hellwach und schlank im Continuo aus hochpräzisem Hammerklavier (Pablo Kornfeld) und Cello (Hana Fleková) sowie ganz vertraut abgestimmt mit dem zweimal zu Wort kommenden Chor, der in dreizehnköpfiger Formation eine ausreichend prächtige, vom Stil barockoratorisch wunderbar reine, wendige Strahlwucht entfaltete.
Wurden die Streicherakzente im zweiten Teil merklich forcierter, steckten Collegium 1704 und Luks förmlich dazu an, Myslivečeks reiche, eingängige und wiederum auch individuell überraschende Musik mit genüsslichem Erstaunen aufzunehmen. Sie erwiesen sich damit erneut als hervorragende Fürsprecher einer heimischen Komponistengröße, hatten sie vor allem schon die berechtigte Ehre ihres über zwei Generationen vor Mysliveček wirkenden Namensgebers Zelenka hergestellt, für den Luks im Year of Czech Music just bei Bachtrack abermals eine Lanze brach. Außerdem erwähnt seien mit Györgyi Farkas und Ondřej Šindelář die beiden Fagotte, die sich in Abramos Arie „Entra l’uomo“ für ihr fabelhaftes Concertino vor das Orchester stellten.
Dort quasi an die Seite des Tenors Michele Angelini, der mit großer, stilvoller Verständlichkeit und Wärme, dazu gut tragender, recht geschmeidiger Virtuosität als opferungsgewillter Abraham bestach, für die er seine Kehle reaktionsbewusst befeuchtete, um in der Bravourarie adäquat hohes Register und Figurengeläufigkeit zu erreichen. Trotz geschichtlich-bildlicher Bindung das vokale Heft des Handelns in der Hand hielt einmal mehr in Ausdruck, Hingabe, personifizierter Überzeugungskraft, profunder Klanglichkeit, Deutlichkeit, Registerfülle und lebendiger Phrasierung Kateryna Kasper als Isaak, deren Sopran leichtgängig (mal mit minimaler Einbuße in den Oktavsprüngen) und innig (mit ab und zu dickerem Vibrato) jede Aufmerksamkeit auf sich zog.
Paula Murrihy als emotionale Mutter Sara setzte ihre Stimme noch vibratostärker ein, beglückte vorwiegend bei bewussterer Artikulation und lichterer, damit vernehmbarerer Verwendung ihres klangschönen, in letzter Arie gelösten Mezzos. Matthias Winckhlers eleganter, weich und ohne Druck auskommender, souverän sitzender Bassbariton als Isacco-Freund Gamari und, als rettender Engel, Eleonora Belloccis vibratolastiger, allerdings einsatznutzender, akkurater Sopran mit metallenerem Durchschlag komplettierten die Gesangscrew dieser eindrücklichen Mysliveček-Episode.