Während in Magdeburg das Abschlusskonzert der Telemann-Festtage stattfand, kam man auch in Köln in einem diesen wenige Stunden vorgelagerten, inhaltlich konkret einen Tag nachgezogenen Termin in den Genuss eines Programmpunktes des Festivals. Denn Dirigent Reinhard Goebel, hiesiger bedeutendster Telemann-Wiederentdecker und sogenannter Alte-Musik-Guru, ermöglichte in der Philharmonie ein eigenes Feierkonzert des Komponisten mit dessen Huldigungsmusiken auf den König von England. Gemeinsam mit dem auf Darmsaiten beziehungsweise historischen Instrumenten oder deren Nachbauten spielenden Ensemble Echo di Rheno sowie den Vokalsolisten Benjamin Appl und Hanna Herfurtner stellte er die pompösen oder gedämpften Ode-Kantaten für die britischen Hannoveraner-Monarchen George II. und George III. vor, die nach der Entdeckung in der berüchtigten Brüsseler Konservatoriumsbibliothek erst kürzlich durch die Musiker von barockwerk hamburg klanglich veröffentlicht worden waren.

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Reinhard Goebel
© Wolf Silveri

Telemanns Gelegenheitsschaffen, noch dazu sein späteres, ist schließlich nach wie vor weitgehend unbekannt. So wie der eigentliche Auftraggeber für die Kantaten auf den Herrscher des Empire, der zugleich das Thronamt des Kurfürsten von Hannover (korrekt: Braunschweig-Lüneburg) bekleidete, so dass Großbritannien neben seiner Handelsbeziehung zu Hamburg auch räumlich-politisch an die große Hansestadt an der Elbe und seinen Musikdirektor heranrückte. An uns Zuhörer drang ein bestechender Schwall prächtig tonaler Unmittelbarkeit und knackig-wuchtig rhythmischen Elans Echo di Rhenos, der sich neben den formidablen Streichern vor allem natürlich mittels der hervorragenden Trompeten und aufgedreht lauten Pauken ausbreitete, um einhämmernden Eindruck sowohl von Goebels wertschätzendem Selbstverständnis hinsichtlich Telemann, der Repräsentationsautorität in Bezug auf die Stücke als auch dem Enthusiasmus der Ensemblemusiker im Gedächtnis zu hinterlassen.

Benjamin Appl © Sony Classical | Lars Borges
Benjamin Appl
© Sony Classical | Lars Borges

Zu Beginn geschah dies mit der „Durchhalte“-Kantate Bleibe, lieber König, leben, in der Bariton Benjamin Appl der erwähnten Grundhaltung entsprechend die Wunschbotschaft anlässlich der Friedensverhandlungen im Siebenjährigen Krieg Europas und der sich dazu abzeichnenden Herzschwäche des Regenten George II. ohne bräsige Breite, sondern mit aufrechtem wie ergebend-eindringlich-vermitteltem Hoffnungsansporn zum überdauernden Lebensatem kundtat. Dass George im selben Jahr dennoch verstorben war, verkündete die Kantate Lieber König, du bist tot, eingeleitet von einem kurzen, jedoch kräftig leidend-ziehend artikulierten instrumentalen Trauermarsch mit den gedämpften Trompeten und leicht tuchlich abgeblendeten Pauken. Appl bewies hier – wie zuvor in weicher und kerniger Charakterlichkeit von Würde und Größe – trotz merklicher ch-Endungseintrübungen brillant phrasierte Diktionsgewandtheit im warmen Ausschütten herzlichen Beileids mit seidig-lichten „Himmel“-Gewissheiten. Ohne Dämpfer der royalen Instrumente spendete er abschließend nach dem Motto „Der König ist tot, es lebe der König“ energisch-dramatischen Trost, indem Appl das selig-ehrvolle Andenken mit teils lässig gestarteten Figuren in ausblickenden Anmut kleidete.

Nachvollziehbar noch festlicher und – damit balancemäßig zum solistischen Vokalen zunehmend schwieriger – dynamisch zupackender zeigte sich Echo di Rheno in der Geburtstags-Kantate für George III., Großmächtigster Monarch der Britten, für die zum beständigen, ausgelassenen Königsbass Sopran und Traversflöten hinzukamen. Hanna Herfurtner erneuerte dort in körpersprachlich wie vollmundig präsentem Ausdruck und rein-strahlendem, blitzendem Timbre den Friedensappell in melodieheimeliger Galanterie mit spitzen Trompeten und Sordino-Streichern, dem im finalen Duett-Tutti ein wahrhaft fulminantes, ehrerbietendes Feuerwerk folgte.

Quasi als auflockerndes, zeitlich ergiebigeres „Intermezzo“ fungierend wurden die kurzen Huldigungen von den beiden populärsten Concerti für vier Violinen senza basso und zwei Divertimenti unterteilt, jenen für Streicher und Continuo in B- und A-Dur, die Goebel früher am prominentesten eingespielt hatte. Sprühten die kleinen Konzerte trotz winziger Hakler bereits in ihrer Kontrastierung hinreißend effektvoll phrasiert und betont voll silbrig-klarer Vitalität sowie innigen, zerbrechlich-stärkenden Affekts, präsentierten die Divertimenti mit stürmisch überrumpelnden Einleitungssätzen und jeweils sechs menuettierten Scherzi, rauschend und berauschend akzentreich und farbig gespielt, Telemanns ungebrochenen Reichtum an lustigen, überraschenden und fundierten Ideen in der Verbindung aller Stile seines Lebens. Er ist eben der kompositorische König, wie Echo di Rheno und Goebel, der sich zudem zu einer aufräumenden Ansprache zur Würdigung Telemanns genötigt sah, bestätigten.

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