Die Essener Philharmonie wurde vom Royal Concertgebouw Orchestra regelrecht in einen Jazz Club verwandelt. Andris Nelsons schien mit seinen weiten Bewegungen Tongebilde erschaffen zu wollen, die dem Orchester wie auch letztlich dem Publikum einheizten. Die ausgelassene Stimmung nahm Jean-Yves Thibaudet auf und groovte auf dem Flügel zu Gershwins Klavierkonzert.
Schostakowitschs Sechste Symphonie weist einige formale Besonderheiten auf und wird schon untypisch mit einem langsamen Satz eingeleitet. Andris Nelsons ließ die Symphonie und damit den Konzertabend jedoch nicht gemächlich beginnen, sondern wählte ein eher flottes Tempo, in dem die Streicher von Beginn an sehr straff spielten. Dagegen waren die Bläserpassagen in gestalterischer und rhythmischer Hinsicht freier artikuliert. Der zweite Satz strahlte in einer betont hellen Farbe und die kräftig gesetzten Akzente vermittelten den Eindruck eines wilden Galopps. Das schon zu Anfang zügig gewählte Tempo musste im finalen Presto natürlich noch einmal erheblich gesteigert werden, und somit endete die Symphonie mit einem schmissigen und vor allem fulminantem Finale.
Auch in Schostakowitschs Suite für Varieté-Orchester waren die Tempi durchwegs sehr flott. Kombiniert mit der hohen Lautstärke fühlte man sich weniger in einem klassischen Konzert als viel mehr bei einer ausgelassenen Tanzveranstaltung. Die achtsätzige Suite war an diesem Abend ausschnittsweise mit fünf Sätzen vertreten, von denen die beiden Walzer die größte musikalische Vielfalt zeigten. Dem Lyrischen Walzer wurde Rechnung getragen, indem er tatsächlich sehr poetisch und gefühlsbetont erklang. Damit hob er sich zusammen mit dem Walzer Nr.2 von den restlichen Sätzen ab, die durch einen eindringlichen Ton bestachen. Bekannt durch Stanley Kubricks Film Eyes Wide Shut gehört der Walzer Nr.2 neben Johann Strauss' Walzern zu den wohl bekanntesten. Vorsichtig schlich sich das Saxophon in den schlagenden Walzerrhythmus. Anders als nach den vorhergegangen Sätzen vielleicht zu erwarten war, blieb der Walzer ohne extravagante Ausschweifungen, sondern wurde sehr träumerisch gestaltet und die dynamische Zurückhaltung zog den Zuhörer nur umso stärker in den Bann.