Es ist quasi wie ein Nachhausekommen, ein Blick in die Vergangenheit und doch mit diesem Repertoire stets ein Blick voraus sowie ein Verhaften im Moment. Das gilt nicht nur für mich, der ich mit Bach und Händels Dixit Dominus auf Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble in Jugendzeiten aufmerksam geworden bin oder Dirigent Thomas Hengelbrock samt Mitstreitern selbst, sondern bestimmt für einige, die die Alte-Musik-Szene verfolgen, vor allem auch in Belgien. Dort, im barocken und immer modern aufstrebenden Antwerpen, präsentierte man neben der Psalmvertonung die Kantate BWV169 und Motette Jesu meine Freude zum Auftakt einer fünftägigen Tour.
Selbst wenn der kirchliche Hintergrund und Programm-Zusammenhang für die meisten eher eine untergeordnete Rolle spielen dürfte, sei dennoch kurz daran erinnert. Jesus steigt nach seinem Tod und der Auferweckung nach neutestamentarischem Verständnis zur Rechten Gottes auf, sodass dessen Stärke und Verkündigung den Glauben der Christenheit formen soll, fromm dem Doppelgebot der Liebe zu folgen. Auch so stellt es in der romantischen Vorstellung des Himmels thematisch ein gewisses Nachhausekommen dar.
Glücklicherweise nicht romantisch kam einem dabei die Auffahrt mit dem Dixit Dominus vor. Vielmehr schien es nämlich, als schösse die Glaubenskraft mittels Raketenantrieb in die überirdischen Bahnen des Seelenlebens. Mit den ersten Tönen entfachte das Ensemble dabei feurige Begeisterung und derart übertragenden Überzeugungswillen, dass das im Tutti untergehende Zupfen der überraschend anstelle eines Cembalos verwendeten Barockharfe gar nicht wirklich auffiel. Zu erlebnisprophezeiend frisch und rhythmisch mitreißend wummerte dafür der restliche Basso zusammen mit den von Konzertmeister Julien Chauvin bestens geführten knackigen Streichern, sodass die Lebendigkeit und Lust einfach nur berauschte. So sehr, dass nach dem Gloria Patri et Filio der Platz zur Rechten im Musikhimmel für Hengelbrocks Orchester reserviert ist. Selbiges gilt unteilbar für den Chor, der mit ständiger Bewegung die bestimmende Erleuchtung mit umschlingender Artikulation und Dynamik sowie den Text dem in der Tat angesprochenen Publikum aufschwingend um die Ohren warf.
Zwischendrin trat Altus Alex Potter mit seiner Kopfstimme hervor, die das Unikum besitzt, sowohl leicht als auch gleichzeitig voluminös zu sein in einer gefärbten Rundung, die am ehesten einem vorzüglich eleganten weiblichen Alt beziehungsweise Mezzo entspricht. Dieses Talent und seine Technik befähigte ihn einmal mehr, das Virgam virtutis tuae durch Ausdruck, Organik und Betonung in den geschraubten Höhen (im Da capo zusätzlich ornamentiert) in höchstes Wohlgefallen des durchdringend anregenden Aufrufs zu übersetzen. Wie in dessen Continuo-Accompagnato nun vernehmbar, lauschte man auch endlich den Grundakkorden der Harfe im Kulminationspunkt dieses meisterlich exerzierten Meisterwerks, dem De torrente, das die Soprane von Antonia Bourvé und Agnes Kovacs unter der fein-silbrigen Deckung der Streicher und atmosphärisch feinfühligen Summierung der Männerstimmen in der nötigen Puristik wirkungsvoll aussandten. Zuvor hatte Kovacs – mithilfe Hengelbrocks sofortig angewandter Korrekturen – mit instrumental timbrierter Schärfe und der gehaltvoll phrasierten Weichheit der Figuren im Tecum principium triumphiert.