Die koreanische Komponistin Unsuk Chin steht wie auch ihr Lehrer György Ligeti (zu seinem 100. Geburtstag) in diesem Jahr mit im Rampenlicht der anspruchsvoll-eigensinnigen Konzertreihe ZaterdagMatinee des öffentlichen niederländischen Rundfunks in Amsterdam. Mit ihrer bisweilen kinematographischen Musik schafft Chin den Spagat zwischen intellektuell westlich-moderner Virtuosität auf der einen und exotisch-sinnlichen Klangbauten auf der anderen Seite.
Mitte der 1980er Jahre zog Chin von Südkorea nach Hamburg, um dort bis 1988 bei dem ungarischen Komponisten György Ligeti zu studieren. Gemeinsam teilten beide die Faszination für Mathematik und das Spielerische. Ligeti ermutigte seine Schülerin, die vorherrschenden ästhetischen Ansichten der damaligen Avantgarde hinter sich zu lassen und ihre eigene Stimme zu finden.
Chins Kindheit war neben Kirchenliedern – sie war Tochter eines presbyterianischen Pfarrers und lernte Klavier- und Orgelspiel – durchtränkt mit traditioneller koreanischer Musik. In ihrem fünfteiligen Werk Gougalōn (2009) transformiert sie diese musikalischen Erinnerungen: „Ich fühlte mich besonders an eine Truppe von Unterhaltungskünstlern erinnert, die ich als Kind in einem Vorort von Seoul einige Male gesehen hatte. Diese Laienmusiker und -schauspieler zogen von Dorf zu Dorf, um den Menschen selbst hergestellte Medikamente anzudrehen, die bestenfalls unwirksam waren. Um die Dorfbewohner anzulocken, führten sie ein Theaterstück mit Gesang, Tanz und verschiedenen Kunststücken auf.”
Im ersten Satz markieren zwei ordinär kratzende Geigen eine Ouvertüre zur Öffnung des Theatervorhangs. Der zweite Teil, Lament of the Bald Singer, ist durchdrungen von Zigeunerechos: das von zwei Pianisten bespielte präparierte Klavier ahmt ein Zimbal nach, während eine schluchzende Geige und Bratsche die Stimme des „kahlen“ Sängers aus dem Titel nachbilden. Der vierte Satz ist die beeindruckende Wiedergabe eines wilden Schlagzeugsolos auf leeren Flaschen und Suppendosen, virtuos gespielt von den beiden Schlagzeugern des Asko|Schönberg Ensembles Joey Marijs und Noè Rodrigo Gisbert.
Thomas van Dun ist ein junger Niederländischer Künstler und Komponist. Seine Werke für klassische Ensembles zeichnen sich durch rhythmische Lebendigkeit mit Anleihen bei elektronischen Tanzmusik und eine farbenfrohe Instrumentierung und vor allem einer großen Auswahl von Schlagzeuginstrumenten aus. Auch in seinem neusten Werk Rocailles de l’après-vie... steht der Wechsel zwischen Melancholie und impressionistischer Ekstase im Vordergrund. Die Uraufführung begann mit hochromantischen Streicherakkorden zu denen die Pianistin Pauline Post die Klaviersaiten mit Xylophonstöcken bestrich. Ein Synthesizer verstärkte dieses Klangfarbenspektakel in dem wiederum die Schlagzeuger auf gestimmten Kuhglocken und chinesischen Gongs ihre solistischen Qualitäten unter Beweis stellen. Die filmisch-flächige Musik beeindruckte anfänglich, wiederholte sich aber im weiteren Verlauf selbstverliebt in Hochglanzeffekten und vergaß, eine packende Geschichte zu erzählen.