So geläufig heute Antonio Vivaldis Wirken für junge Mädchen am venezianischen Pietà-Konservatorium ist, so etwas im doppelten Sinne weiter zurück liegt die Erinnerung an Künstlerinnen, für die dessen Vorgänger an italienischen Höfen komponierten. Nicht, wie bereits vielfach aus Frühbarock und dann ganzer Barockzeit bekannt, rein solistische Musen und Diven, sondern hervorragende Consort-Sängerinnen. Wie, als bedeutendstes Zeugnis, die drei Dame di Ferrara, Sopranistinnen namens Laura Peperara, Anna Guarini und Livia d’Arco, die in den Gemächern des Herzogs Alfonso II. d’Este und dessen Frau Margherita offiziell, im Endeffekt aber alles andere als „Geheimkonzerte“ delle Donne veranstalteten. Berühmtestes Relikt derer ist die Madrigalsammlung 1601 des Este-Hofcembalisten Luzzasco Luzzaschi. Auszüge daraus sowie Beispiele der Komponisten ihrer Nachfolgerinnen um die mächtigen Gonzagas und Medicis, wie Claudio Monteverdi, Carlo Gesualdo, Giulio Caccini und Luigi Rossi, stellte Harfenistin Margret Köll mit ihrem Ensemble between the Strings zur Deutschlandpremiere beim Forum Alte Musik Köln vor.

Dorothee Mields, Barbara Zanichelli und Kateřina Blížkovská schlüpften dafür in die angesehenen Damenfiguren von damals. Nach Girolamo Frecobaldis eröffnender Toccata seconda aus dem Ersten Cembalobuch, die Federica Bianchi mit flotter, temperamentvoller Bestimmtheit anging, offenbarte sich durch Caccinis erotisierende, verhältnismäßig berüchtigte Madrigal-Aria „Belle rose porporine“ (Le nuove musiche 1601/02) neben der rhythmisch-tänzerischen Preziosität sogleich der einnehmende Charme der ausschließlich weiblich besetzten Gruppe. Jener, den Mields – später auch in anrührender und bestechender Lieblichkeit, Theatralikanhauchung und Registersolidität bei Luzzaschis „Aura soave“ – mit ihrer unverwechselbar schlank-weichen, florierenden Tongebung sowie Ausstrahlung zwischen kindlicher Freude und sowohl zuschauer- als auch kolleginnenzuspielender Übersetzungslust beehrte. Und eben ein aufgestockter Instrumentalbund, in dem Köll, Bianchi, Elisa la Marca und Frauke Hess die obligatorischen Hofbegleitinstrumente Harfe, Cembalo, Basslaute beziehungsweise Renaissancegitarre und Viola da gamba abdeckten, die die Ferrara-Sensationssängerinnen einst selbst beherrscht hatten.
Jenseits der erwähnten Cembaloeinleitung kamen diese Instrumente des Ensembles dabei ebenfalls in unterschiedlichen Formationen zu ihren gesangsfreien Einsätzen, sei es in Giovanni Bassanos di Lasso-Arrangement Suzanne du jour mit Gamben-Diminutionen, bei denen sich in Hess‘ Spiel allerdings auch intonatorisch-technische Makel auftun sollten. Oder in zwei typisch harmonisch extravaganten Gesualdo-Sätzen, der Gagliarda del Principe di Venosa und der Canzon francese del Principe, in denen Köll an frühbarocker Tripelharfe prominenter, bei zweiter schließlich intensiv mit filigran-vitaler Bianchi am Cembalo den reichen Verzierungen knackige, dynamische und exakte Artikulationseleganz schenkte. Nach la Marcas farbiger wie einfühlsam-dezenter Lauten-Interpretation Vincenzo Galileis Palestrina-Bearbeitung Vestiva i colli durfte das Instrumental-Tutti in Salamone Rossis „Gagliarda detta Marchesino“ schließlich die heiter-hoffnungsheilsame Schlager-Stimmung einiger Lieder kurz ganz für sich aufnehmen und transportieren.
Zunächst folgte dieser Charakter getreu dramaturgischer Kontrastpunkte nämlich Luzzaschis betörendem „Troppo ben puó questo tiranno Amore“ und zuvor noch Caccinis Aria „Alme luci beate“ (Nuove musiche 1614) nach, in der Blížkovskás erst und dort einzig minimal ansatzproblematische, dann überall geschmeidig-dynamische, dramatische, mittels phrasierungs- und affekt-rhetorischer Stilsicherheit in den Bann ziehende Mezzovirtuosität und -Wärme verzückte. Und zwar mit Monteverdis doch mittlerweile berühmtem „Zefiro torna“ (Scherzi musicali), das nun aufblühendere, klare Zanichelli und Mields zu einem hypnotisch-festlichen oder rauschhaften Vergnügen machten. Nachher baute sich hinter Luzzaschis herrlich sensiblem „O dolcezz‘ amarissime d’Amore“, „Occhi del pianto mio cagione“ voll innig-schmerzlicher Brillanz und ausgezeichneter Schönheit benanntes Hit-Flair auf, als Zanichelli Monteverdis „Quel sguardo sdegnosetto“ und gemeinsam mit Mields dessen „O come sei gentile“ hinreißend wiedergab.
Es mündete mit Luigi Rossis Pene, pene, ahi, chi vuol pene in einem puren Soprangenuss des weiblichen Tutti, der samt finaler, dialogischer Fan battaglia die Tücken, Kämpfe, Pfeile und Schilde der Liebe mit den Waffen der Frau so zur köstlichen Realität werden ließen, dass man diese abgestimmte Concerto-delle-donne-Klangerscheinung des Ensembles between the Strings einfach mögen muss.