Es ist selten, dass sich ein echter Weltstar ins schöne Passau verirrt. Möglich machen dies aber mit einer zuverlässigen Regelmäßigkeit die Europäischen Wochen, die dieses Jahr Edita Gruberová für einen Liederabend in die Studienkirche nach Passau einluden. Das Motto: „Es wecket meine Liebe die Lieder“. Die Sopranistin, die der Kunstform des Lieds in ihrer Karriere immer schon einen großen Platz eingeräumt hat, zeigte zusammen mit Pianist Peter Valentovič ein romantisches Programm, das von Pjotr Tschaikowsky über Nikolaj Rimsky-Korsakow und von Richard Strauss bis Gustav Mahler reichte – und bewies so ihren Kritikern, dass sie ihr Publikum immer noch verzaubern kann.
Dazu trug auch das Programm seinen Teil bei. Von tieftraurigem russischen Liedgut wie dem Wiegenlied aus Tschaikowskys Romanzen bis zum witzigen Hans und Grete aus Mahlers Zyklus Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit bot sich für die Gruberová die Möglichkeit, ihr ganzes Ausdrucksrepertoire darzubieten. Schnell wurde allerdings deutlich, worin ihre Stärke lagen: Es waren besonders die melancholischen Melodien wie in den bereits erwähntem Tschaikowsky-Lied Otchego? (Warum?), in dem sie beispielsweise die Frage „Warum nur?“ sehnend und im Piano anstimmte. Mit einer beeindruckenden Leichtigkeit entwickelte Edita Gruberová die Spitzentöne in leisestem Piano, die sie nach Bedarf entweder unhörbar verklingen ließ oder zu einem kräftigen Forte ausbaute.
Mit grandiosem Ausdruck gab sich die Gruberová dann den Zigeunerweisen von Antonín Dvořák hin. Auch hier nahm man ihr die feurigeren Passagen ab, obwohl hier die kleinen Schwächen offenbar wurden. In den allzu wilden Stellen schlich sich der ein oder andere unsaubere Spitzenton ein und einige Mitteltöne erklangen brüchig. Doch sobald das Tempo herabfuhr, entwickelte Edita Gruberová einen majestätischen Spitzenton, der die „umrauschte Felsenhöh’“ in Darf des Falken Schwinge besser nicht hätte beschreiben könnte.