Vor fast vierzig Jahren brachte das Staatstheater Nürnberg zuletzt Claudio Monteverdis 1641 geschriebene Oper Il Ritorno d’Ulisse in Patria auf die Bühnenbretter. Damals bewegte sich die historisch informierte Aufführungspraxis noch in den Kinderschuhen, Nikolaus Harnoncourts revolutionärer Zürcher Zyklus der drei erhaltenen Monteverdi-Opern war erst seit zwei Jahren am Start. Monteverdis Manuskript enthält nur Stimmen von wenigen Vokal- und Instrumentalsolisten für die 500 Theaterplätze des venezianischen Teatro di San Cassiano, das, 1637 gegründet, sich dem zahlenden Publikum aller Schichten, also Adliger, Geistlicher und Bürger geöffnet hatte.
Da Monteverdis Partitur, wie zur damaligen Zeit üblich, nur ein Gerüst ist, legte Wolfgang Katschner, Leiter der Berliner Lautten-Compagney und ausgewiesener Fachmann für Barock- und Renaissance-Werke, für das größere Nürnberger Opernhaus die musikalische Struktur fest. Statt der nicht überlieferten Zwischenspiele setzt er Kompositionen von Cavalli, Schein und anderen Zeitgenossen ein. Siebzehn Musiker, teils vom Opernorchester sowie Spezialisten für alte Instrumente wie Cornett, Gambe oder Lirone, agieren auf der geschickt herausgehobenen Orchesterfläche. Exzellent aufeinander abgestimmt entfachten sie unter Katschners intensiver Leitung einen atmosphärisch dichten und doch glasklar durchhörbaren Instrumentalklang, der sich perfekt mit den Sängern im Bühnengeschehen mischte. Da werden die tragischen Momente ebenso leidenschaftlich ausgemalt wie die tänzerische Leichtigkeit heiterer Szenen griechischer Mythologie.
Die Handlung steht in Beziehung zu zwei anderen Premieren dieser Saison: ebenso wie bei Berlioz' Die Trojaner und Mozarts Idomeneo werden Leid und Kriegsfolgen nach zehnjähriger Belagerung von Troja sowie die Hoffnungslosigkeit anschließender Irrfahrten geschildert. In Ithaka wartet Penelope, Odysseus' Gattin, seit zwanzig Jahren auf die Heimkehr ihres Gatten. Noch weiß sie nicht, dass mit Hilfe der Göttin Minerva Odysseus bereits in Ithaka gelandet ist. Zahllose Freier hat sie bisher abgewiesen; auf Drängen ihrer Dienerin Melanto verspricht sie demjenigen ihre Hand und Odysseus' Thron, der den Bogen des vermissten Königs zu spannen imstande wäre.
Mariame Clément und Julia Hansen haben Nürnbergs Inszenierung sowie Bühne und Kostüme geschickt eingerichtet. Statt auf den roten Theatervorhang lassen sie den Zuschauer auf einen südländischen Lamellenvorhang schauen, auf dem ein schillerndes Meer abgebildet ist, das mit dem Spiel der Bänder dauernd in Bewegung scheint. Penelopes Palast ist – anfangs etwas unerwartet – als großer klassizistisch wirkender Holzraum mit mehreren geschickt verschiebbaren Spielflächen aufgebaut; ein weiterer silbriger raumhoher Lamettavorhang suggeriert Reste des früher herrschenden Prunks. In die Rückwand ist eine weitere Minibühne integriert, die eher als Spelunkenzimmer mit Theke und Dartscheibe denn als Olymp möbliert ist und zum Trinkgelage der ziemlich menschlich wirkenden Götter dient. Je nach Gesellschaftsstand sind die Kostüme geschneidert: Penelope in einem bodenlangen weißen Umhangkleid, ihr Sohn Telemaco in modern-ausgewaschenen Jeans und Blouson, die Amme Ericlea in mittelalterlicher Standestracht einer Agnes Dürer.