Wie kann man das Unaussprechliche in Klang verwandeln? Eine schwierige Frage, die Thomas Larcher bei der Arbeit an seiner Zweiten Symphonie stark beschäftigt hat. Denn mit seiner Symphonie verarbeitete er die größte humanitäre Krise in Europas jüngster Geschichte auf sehr persönliche Weise. Der Beiname „Kenotaph" spielt dabei nicht auf altertümliche Grabmäler an, sondern ganz konkret auf die „verlorenen und vergessenen Seelen“, die auf ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ertranken. Die Münchner Philharmoniker nahmen sich des Werkes unter der Leitung von Dirigent Semyon Bychkov an, der bereits die Uraufführung in Wien dirigierte.
Auf den ersten Blick orientiert sich Larcher an traditionellen Mustern. Nicht nur das wohlbekannte Genre der Symphonie, auch der Aufbau mit Adagio und Scherzo im Mittelteil scheint vertraut. Dennoch darf man sich nicht von der äußeren Tradition blenden lassen, denn mit seiner Klangsprache reizt Larcher neue Möglichkeiten aus und vermeidet es, sich vorschnell einordnen zu lassen. Vielmehr erweist sich Larcher als Wandler zwischen den Stilen, der sowohl tonale Momente wie auch großflächige Klangcluster geschickt einzusetzen weiß. Über allem schwebt die Idee der Sinnlosigkeit der vielen Toten, die sich in ohrenbetäubenden, mechanisch anmutenden Urschlägen Bahn bricht. In strudelartigen Bewegungen und unheilvollen Abwärtsskalen fesselt insbesondere der erste Satz. In drängenden Spannungsbögen zelebriert er schonungslose Schockmomente und setzt vor allem im Scherzo auf ungewöhnliche Instrumentation. Neben sechs Schlagwerkern sorgt vor allem das Akkordeon für interessante klangliche Momente.
Larcher streicht dabei jeglichen Hoffnungsschimmer aus seinem Werk und macht dies auch unmissverständlich deutlich. Die zärtliche Violine, die sich zum Ende in bester Mahlermanier zu einer versöhnlichen Melodie aufschwaingt, wird rigoros abgewürgt. Auch wenn die Sätze vor allem in den Mittelteilen ein wenig an Stringenz einbüßen, wirken vor allem die Ecksätze nachdrücklich. Den nachdenklichen Epilog, der das Werk düster aber ungewöhnlich ruhig zum Abschluss bringt, ließ Bychkov einige Zeit im Raum nachwirken. Am Ende blieb die Erkenntnis, dass Larcher seine Symphonie als sehr persönliches Mahnmal konzipiert hat, das ungewöhnliche klangliche Wege geht.