Langsame Sätze sind das Salz in der Suppe eines jeden Konzertes. Wenn die Atmosphäre eines Adagio das Publikum zu packen weiß, dann steht die Zeit still. Man schwelgt in Klängen und daraus resultierenden Traumbildern und treibt auf Gefühlswellen, die von der Musik entfesselt werden. Genau dies wusste Lahav Shani bei seinem Konzert mit dem Philharmonischen Orchester Rotterdam im Rotterdamer De Doelen umzusetzen.
Sir James MacMillan hatte schon immer ein Bratschenkonzert schreiben wollen. Aber erst nachdem er als Dirigent mit Lawrence Power das Walton Bratschenkonzert aufgeführt hatte, fand er einen Auftraggeber für diese Komposition. Der Bratschenvirtuose Lawrence Power, dem das Stück auch gewidmet ist, brachte dies 2014 in seiner Heimatstadt London zur Uraufführung. Das halbstündige Werk besteht aus drei Sätzen in der traditionellen Reihenfolge. Und auch dieser langsame Satz hat es in sich. Er beginnt mit einer lauten Passage von Blechbläsern und Schlagzeug, Streicher legen mit Pizzicato-Bässen einen Klangteppich für die rhapsodischen Melodiebögen der Bratsche. Mit viel Vibrato, Glissando und Rubato entfaltete Power sein musikalisches Talent und bewegte seine Zuhörer. Mit Elementen aus dem Jazz und der Zigeunermusik erzählte er quasi improvisando tausendundeine Geschichten und ließ ebenso viele verschieden gefärbte Bratschentöne hören. Die laute Anfangspassage kommt noch zweimal zurück und gibt so auf diese Weise der emotionalen Ballade ihre Form, die mit einer sich ins Nichts auflösenden Flageolettkadenz endet.
Die schnellen Ecksätze enthalten Musikzitate aus allen Jahrhunderten und sogar aus der Rockmusik. Die Bratsche war dank der präzisen Instrumentation immer gut zu hören. Shani und Power waren im Dezember 2016 auch für die Niederländische Erstaufführung verantwortlich und dadurch noch gut aufeinander eingespielt. Das Rotterdams Philharmonisch Orkest begleitete stets aufmerksam und musizierte mit viel Energie in den Tuttipassagen. Power besitzt die Gabe, mit seinem Publikum in Kontakt zu treten. Sein wertvolles 400 Jahre altes Instrument weinte ab und zu wie eine elektrische Gitarre und brüllte an anderen Stellen wie ein Saxophon.
Power spielte sowohl die Melodielinien als auch die schnellen „Perpetuum Mobile“-artigen Teile entspannt und eindringlich zugleich. Er entfaltete dabei einen Fächer von intensiven Emotionen ohne je aufdringlich zu werden, was gut zum Komponisten MacMillan passt, der trotz seines erfolgreichen und vielfältigen Schaffens bescheiden geblieben ist. Seine Werke überwinden die der Musik innewohnende Abstraktion, indem sie zu einer Reise einladen, die jeder Zuhörer ganz individuell erleben und erfühlen kann.